Die deutschen Rodler holten in China vier Gold- und zwei Silbermedaillen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa)

Nach dem historischen Medaillenrausch von Yanqing nahmen in der Gefühlswelt des deutschen Rodel-Cheftrainers gleich zwei Dinge Oberhand. «Erleichterung und Freude», berichtete Norbert Loch. Die Freude ist verständlich.

Die Erleichterung mag nach den in dieser Dominanz mit vier Gold- und zwei Silbermedaillen noch nie da gewesenen olympischen Tagen sonderbar erscheinen. Doch bei den Winterspielen in China war Druck auf dem Kessel, die deutschen Asse mussten abliefern. «Der Erfolg wird von uns erwartet. Das macht es nicht einfacher», sagte Olympiasieger Johannes Ludwig.

Die erneute Goldflut ist für die Deutschen schlicht das, was man in der Wirtschaft Return on Investment nennen würde. Im internationalen Vergleich bietet Deutschland Rodlern sozusagen ein Schlaraffenland. Vier Kunsteisbahnen gibt es hierzulande, wovon der Eiskanal in Oberhof sogar exklusiv dem Rodeln vorbehalten ist. Die Bahn am Königssee, Heimstätte der Rekord-Goldgewinner Natalie Geisenberger, Tobias Wendl und Tobias Arlt ist nach einem Unwetterschaden nicht nutzbar.

«Systemmäßiger» Vorteil gegenüber der Konkurrenz

«Speziell im Rodeln haben wir da zwei herausragende Sportstätten», sagte der Vorstandschef und Sportdirektor des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland, Thomas Schwab, der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist natürlich ein großer Vorteil, den wir schon systemmäßig gegenüber der Konkurrenz haben.»

Dieser Systemvorteil mit seinen Konsequenzen, nämlich Medaillen en masse bei Großereignissen, füttert die Rodel-Nation Deutschland wie es ähnlich im Tischtennis in China der Fall ist. Allein 38 Olympiasiege verbuchte Deutschland seit den Innsbruck-Spielen von 1964. Erfolge begeistern Nachwuchs, dieser hat Idole zur Orientierung. In China war in Silbergewinnerin Anna Berreiter, Weltmeisterin Julia Taubitz und dem Einzel-Sechsten Max Langenhan auch schon die nächste Generation dabei. Schon die zehnjährigen Rodel-Talente rotieren auf vier deutschen Bahnen, lernen in anspruchsvollen Eiskanälen die Lenkpunkte und die Beherrschung des Schlittens.

Hinzu kommt eine Wucht in der Materialschlacht, mit der allenfalls die Österreicher – dank deutschem Cheftrainer Rene Friedl – mithalten können. Allen voran das Berliner Institut zur Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES). «Da haben wir in den letzten zwei Jahren zusammen mit der FES und unserem Technologie-Partner BMW wirklich nochmal einen Schritt nach vorn gemacht», sagte Schwab. Neben der Tüftelei am Schlitten, wo gerade Rodel-Ikone Georg Hackl seine Erfahrungen einbringt, wurde auch am PC das nächste Level erreicht. «Wir haben auch mehr auf virtueller Ebene mit dem Material gearbeitet.»

Weltverband will deutsche Dominanz knacken

In diesem Punkt versucht der Weltverband FIL, die deutsche Dominanz zu knacken. Pläne für einen Einheitsschlitten werden konkreter, nur die Schienen sollen frei wählbar sein. Der technische Vorsprung der Deutschen dürfte damit schneller dahinschmelzen als ein Softeis bei 30 Grad im Schatten. Die Folgen könnten für den deutschen Verband erheblich sein, rechtfertigt er die großen Investitionen doch vor allem mit Erfolgen.

So verwundert es nicht, dass Loch und die Trainingsgruppe Sonnenschein vom Königssee den Glanz des frischen Erfolgs nutzen, um die Werbetrommel für den Wiederaufbau ihrer Bahn zu rühren. Die älteste Kunsteisbahn der Welt wurde im Juli von einem Unwetter im oberen Bereich am Rodelstart zerstört.

«Es ist ein wichtiges Trainingszentrum, vor allem für den Nachwuchs, der dort entwickelt wird. Deswegen müssen wir so schnell wie möglich versuchen, einen Teilbetrieb wieder zu schaffen», sagte Schwab und sieht die Basis für die Erfolge in China vor allem auch in Bayern: «Für mich ganz klar ein eindeutiges Zeichen, der Hauptanteil der Medaillen kommt von diesem Bundesstützpunkt und wir brauchen die Bahn am Königssee, gerade für den Rennrodelbereich, aber auch für Bob und Skeleton.»

Argument genug dürften auch die starken TV-Quoten bei den Erfolgen sein. Teils mehr als fünf Millionen Zuschauer fieberten am Fernseher mit. «Die Reaktionen aus der Heimat waren überwältigend, ich habe so viele positive Nachrichten bekommen, das tut unserem Team einfach gut», sagte Geisenberger. «Wir beschweren uns nicht über die TV-Zeiten, der BSD präsentiert permanent drei Sportarten. Man muss auch sehen, alle Sportarten entwickeln immer mehr Disziplinen und alle wollen damit im TV sein. Der TV-Tag ist aber endlich», betonte Schwab.

Von Frank Kastner, dpa

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