Hannah Neise gewann die Goldmedaille im Skeleton. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Michael Kappeler/dpa-Zentralbild/dpa)

Noch immer ungläubig schlug Hannah Neise die Hände über dem Kopf zusammen und zeigte dann fast ein wenig verlegen ihre Goldmedaille.

Die 21-Jährige aus Winterberg raste völlig überraschend als erste deutsche Skeletonpilotin zum Olympiasieg und setzte die famose Siegesserie im Goldkanal von Yanqing fort. Nach vier Olympiasiegen in den Rodel-Wettbewerben und dem Triumph von Skeleton-Weltmeister Christopher Grotheer war auch Neise nicht zu schlagen.

«Ich kann nicht wirklich realisieren, was hier gerade passiert ist. Auf jeden Fall ist es ein unbeschreibliches Gefühl», sagte Neise. «Ich bin heute Morgen um sechs Uhr aufgewacht und war sehr nervös. Ich habe direkt meiner Mama geschrieben und sie hat gesagt: Ich soll auf das vertrauen, was ich kann.»

«Sie macht wenig Fehler»

Sie freue sich innerlich, «Eltern, Familienmitglieder und Freunde freuen sich mehr». Cheftrainer Christian Baude lobte: «Hannah kann sehr gut fahren. Sie macht wenig Fehler und wenn sie mal einen macht, bleibt sie ruhig. Sie hat ein richtig gutes Fahrgefühl.»

Dabei hatte die Jüngste im Team den Auftakt in die olympischen Rennen verpatzt, war nur Achte. Doch schon im zweiten Lauf rauschte Neise auf Platz zwei, übernahm im dritten Durchgang mit dem Bahnrekord von 1:01,44 Minuten die Führung und setzte im Finale noch einen drauf. Mit der Laufbestzeit und letztlich 0,62 Sekunden Vorsprung vor der überraschenden Zweiten Jaclyn Narracott aus Australien. «Sie hatte überhaupt keinen Druck und hat ihr Ding durchgezogen. Mein größter Respekt vor dem, was sie hier die letzten beiden Tage gemacht hat», sagte Jacqueline Lölling. Die Pyeongchang-Zweite wurde nur Achte, Bronze gewann die Niederländerin Kimberly Bos vor Weltmeisterin Tina Hermann vom WSV Königssee.

«Die Medaillen tun unserem Sport gut. Wir sind immer ein wenig im Hintergund, jetzt haben wir gezeigt, was wir können. Darauf können wir stolz sein», sagte Lölling. «Für mich ist es eine völlig neue Situation, dass wir alle Rennen gewonnen haben», sagte der Vorstandschef und Sportdirektor des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland, Thomas Schwab. «Ich bin ja schon lange dabei, aber das habe ich noch nie erlebt.»

Spätes Olympia-Ticket

Neise hatte es gerade so nach China geschafft. Das Ticket löste sie erst durch Platz acht beim Saisonfinale in St. Moritz. Und wie ihr Teamkollege Axel Jungk war Neise nach dem Weltcup-Rennen in der Schweiz Ende Januar positiv auf das Coronavirus getestet worden. Während Jungk am Freitag zu Silber hinter Grotheer raste, reichte es für Neise bis ganz nach oben.

Schon in den Testrennen in Yanqing hatte Neise im Oktober Platz zwei belegt. Für den großen Coup war sie wie immer ihrem Dresscode gefolgt. Unter dem Rennanzug trug sie Kompressionsstrümpfe und ein pinkes T-Shirt. Als Glücksbringer hat sie bei den Winterspielen ein Kuscheltier von ihrem Freund, einem Skispringer, dabei.

Nur in der Heimat in Schmallenberg lief es nicht wie geplant. Das vom Papa und der Werbegemeinschaft Schmallenberg organisierte Public Viewing auf dem Schützenplatz musste kurzfristig etwas eingedampft werden. Der Aufbau der Eventbühne wurde wegen Sicherheitsbedenken gemäß der aktuellen Corona-Schutzverordnung abgesagt. Trotzdem versammelten sich rund 150 Leute bereits im dritten Lauf auf dem Platz vor zwei Bildschirmen.

Die deutschen Frauen hatten bereits vor den Rennen nördlich von Peking olympische Medaillen gewonnen, aber nie ganz oben auf dem Treppchen gestanden. In Vancouver gewann Kerstin Szymkowiak 2019 Silber, Anja Huber (heute Selbach) holte Bronze. Vor vier Jahren in Pyeongchang musste sich dann Jacqueline Lölling nur der Britin Elizabeth Yarnold geschlagen geben.

Von Frank Kastner und Tom Bachmann, dpa

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