Die deutsche Biathletin Magdalena Neuner läuft bei einem Rennen im Jahr 2012 an einem Fahnenmeer vorbei. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild)

Jedes Biathlon-Rennen schaut Magdalena Neuner schon lange nicht mehr. Doch die Erinnerungen an den Hype, den sie mit dem Höhepunkt der gigantischen Heim-Weltmeisterschaft 2012 vor mehr als 215.000 Zuschauern in Ruhpolding einst auslöste, hat sie immer noch ganz genau im Gedächtnis.

«Ich hatte mich mental auf eine normale WM eingestellt, klar Heim-WM und der große Fokus auf mir – aber damit konnte ich gut umgehen», sagte die Rekord-Weltmeisterin der Deutschen Presse-Agentur.

Biathlon-Heim-WM in Oberhof

Auch Deutschlands größte Medaillenhoffnung Denise Herrmann-Wick hofft elf Jahre später beim am Mittwoch beginnenden WM-Heimspiel in Oberhof auf einen positiven Effekt des eigenen Publikums. «Man kann Druck immer mit zwei Gesichtern sehen, positiv und negativ. Wenn man mit sich selber im Reinen ist, kann man Druck in was Positives ummünzen», sagte die 34-Jährige. Eine «coole Atmosphäre» in Thüringen könne viel bewirken, «so dass Athleten auch über sich hinaus wachsen. Und das sollten auch alle so angehen».

So extrem wie vor elf Jahren in Bayern bei Neuner werden die Erwartungen aber nicht sein. Neuner war omnipräsent, alles schaute nur auf «Gold-Lena». Zumal klar war, dass die damals 25-Jährige nach jener Saison ihre Karriere beendet. Den Druck empfand die Ausnahmekönnerin nicht als Belastung. «Es kommt drauf an, wie man an die Sache rangeht. Man kann sich auf solche Situationen gut vorbereiten und ich glaube, dass man aus einer Situation wie einer Heim-WM ganz viel positive Energie schöpfen kann», sagte Neuner.

Es sei großartig gewesen, zu wissen, dass die meisten Fans das deutsche Team unterstützen. «Ich fand es extrem motivierend in Ruhpolding. Die tolle Stimmung, wenn man die aufnehmen und daraus das Positive ziehen kann, dann kann das sehr beflügeln», sagte Neuner, die nur noch für die Öffentlichkeit so heißt. Eigentlich lautet ihr Name seit ihrer Hochzeit 2014 längst Magdalena Holzer.

«Einfluss von außen» kostete viel Kraft

Die zweimalige Olympiasiegerin arbeitete schon damals als eine der Ersten mit einem Mentaltrainer zusammen. Und es begann zunächst wie erhofft. Zum Auftakt gab es Bronze in der Mixed-Staffel, dann folgte ihr Triumph vor Zehntausenden euphorisierten Fans mit Gold im Sprint, danach holte sie Silber in der Verfolgung. Dieses Rennen sahen zusätzlich 7,01 Millionen Menschen im deutschen Fernsehen – bis heute ist das ein Rekord außerhalb Olympischer Spiele. 4,57 Millionen TV-Zuschauer im Durchschnitt erreichten ARD und ZDF damals pro Rennen. Zahlen, die nun schwer zu wiederholen sein dürften.

Doch für Neuner lief es in der zweiten WM-Woche nicht mehr rund, 23. im Einzel, beim Staffel-Gold war sie mit einer Strafrunde und sechs Nachladern alles andere als in Topform und im abschließenden Massenstart schoss sie als Zehnte sechsmal daneben. Der Grund? Auf ein Szenario war die Strahlefrau des deutschen Wintersports nicht gefasst – Morddrohungen gegen sie. «Ab diesem Zeitpunkt war es für mich sehr, sehr schwer», erinnerte sich Neuner, die damals dachte, dass die für sie abgestellten Zivilpolizisten generell fürs deutsche Team da gewesen seien.

«Dann war von außen etwas da, das ich gar nicht auf dem Schirm hatte – das hat mich viel Kraft gekostet. Ich konnte mit Abstand nicht mehr so frei und entspannt ins Stadion gehen wie vorher. Und wenn man sich dann die Bilder anschaut, kann man das auch relativ deutlich sehen, wann der Zeitpunkt war, wo bei mir die Kraft zu Ende war», sagte Neuner rückblickend. Sie habe nicht mehr gut geschlafen, ständig «komische Gedanken» gehabt, daran änderten auch die extra für die engagierten Personenschützer nichts.

Neuner steht Social Media kritisch gegenüber

Wenn sich da jemand einen Scherz erlaubt habe, dann war es «echt ein schlechter. Und ich bin froh, dass nichts passiert ist. Wahrscheinlich hatte die Person schon den Plan, mich aus dem Konzept zu bringen. Das hat er vielleicht ein Stück weit geschafft, aber nicht ganz», erzählte die mittlerweile dreimalige Mutter. Die Ermittlungen liefen ins Leere.

Es gehöre leider mittlerweile zum Profi-Sportlersein auch dazu, dass bei einem gewissen Bekanntheitsgrad Dinge wie diese passieren könnten. Neuner war damals das Gesicht ihrer Sportart, der Biathlon-Boom auf seinem Höhepunkt. «Ich bin da eher etwas sensibel. Von daher bin ich froh, dass es solche Dinge wie Social Media bei uns damals noch nicht so gab», sagte Neuner mit Blick auf Hasskommentare in den sozialen Medien.

In Oberhof sind vor dem WM-Start mit der Mixed-Staffel am Mittwoch (14.45 Uhr/ZDF und Eurosport) die Augen nun vor allem auf Herrmann-Wick gerichtet. 27.000 Zuschauer können an den neun Wettkampftagen mit insgesamt zwölf Titel-Entscheidungen jeweils maximal dabei sein, noch höhere Zahlen gab es 2012 in Ruhpolding. Das zu erreichen, wird schwer – genau wie die damalige Medaillen-Ausbeute von fünfmal Edelmetall (2x Gold, 1x Silber, 1x Bronze).

Sandra Degenhardt und Thomas Wolfer, dpa

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