Auch vor dem diesjährigen Weltcup-Start stehen Klima- und Umweltthemen mehr im Fokus als der Sport. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Gian Ehrenzeller/Keystone/dpa)

Eigentlich will der alpine Ski-Weltcup am Wochenende die Saison-Ouvertüre mit seiner alljährlichen Gletscherparty im Ötztal feiern. Vor dem traditionellen Wettkampfauftakt in Sölden steht aber – zum wiederholten Mal – nicht der Sport auf zwei Brettern im Fokus.

Stattdessen rütteln Vorwürfe von Naturschützern und ein teils sehr emotionaler Mix aus Zustimmung und Ablehnung die Szene auf. Umweltschutz und Klimasensibilität stehen Tourismus und dem Millionen-Business Wintersport gegenüber. Es ist kompliziert.

Schon seit Jahren diskutiert die Branche über das Event mit Termin Ende Oktober hoch oben auf dem Rettenbachgletscher und ob dieses in Zeiten des Klimawandels noch angemessen ist. Eine Mitteilung von Greenpeace Österreich aus dem September sorgte dieses Mal für besondere Aufregung. Die Umweltschützer schrieben, dass seit April Bagger Teile des Gletschers zerstörten, um Platz zu machen für die Weltcup-Strecke. Sogar Sprengungen seien «vermutlich» vorgenommen worden, hieß es in dem brisanten Bericht.

Veranstalter wehren sich

Viele Beobachter waren empört. Von einer «Katastrophe für die Glaubwürdigkeit des Sports» sprach Ex-Rennfahrer Felix Neureuther in einem BR-Podcast und nannte die Bilder «sehr verstörend und einfach nicht mehr zeitgemäß». Österreichs Spitzenathlet Manuel Feller räumte ein, dass die Aufnahmen «natürlich katastrophal» aussehen.

Die Veranstalter wehren sich gegen die Behauptung, sie würden den Gletscher abtragen für ein Sportevent – stattdessen wird Greenpeace Populismus vorgeworfen. Wolfgang Maier, der Sportvorstand im Deutschen Skiverband (DSV), ließ sich die Arbeiten schon im Sommer vor Ort erklären. «Es ist nicht so, dass man hier die Natur zerstört und den Gletscher in die Luft gesprengt hat», berichtete er.

Vielmehr sei es darum gegangen, größere Felsbrocken zu zerkleinern, die zutage getreten waren, weil der Gletscher weiter zurückgegangen sei – Stichwort Klimawandel. Je kleiner die Steine sind, umso weniger Schnee würde benötigt, um eine Skipiste herzurichten, erklären die Söldener. «Sie sind ja eigentlich schon auf dem Weg, das Thema ökologischer zu fahren», sagte Maier.

Auch der deutsche Abfahrer Thomas Dreßen, der von den Bergbahnen Sölden gesponsert wird, hatte nach Bekanntwerden der Greenpeace-Vorwürfe im Ötztal angerufen und war beruhigt worden, dass man lediglich Instandhaltungsmaßnahmen durchführe, um weniger Kunstschnee produzieren zu müssen. «Somit ist es ja eigentlich nachhaltig und langfristig gedacht für das Klima besser, wenn du den Skisport machen willst», sagte Dreßen.

Einig sind sich Aktive und Funktionäre im Ski-Weltcup darin, dass der Skisport unter den Schlagzeilen mächtig leidet. Und erneut fragen sich viele, warum das Rennen überhaupt schon im Oktober stattfinden muss.

Kritik am frühen Saison-Start

Der Hauptgrund ist ein wirtschaftlicher: Mit den Riesenslaloms der Frauen am Samstag und Männer am Sonntag (jeweils 10.00/13.00 Uhr/ZDF/Eurosport) soll schon früh der Skitourismus für den kommenden Winter angekurbelt werden. Das Kalkül: Wer tollen Sport vor atemberaubender Kulisse im Fernsehen sieht, wird daran erinnert, dass die kalte Jahreszeit naht – und bucht dann gleich mal den Skiurlaub und kauft bestenfalls auch noch neues Equipment.

Auf eine weiße Winterlandschaft musste der Skizirkus in den vergangenen Jahren in Sölden aber häufig verzichten. Immer mehr Sportler sind sich darin einig, dass man sich viel Kritik ersparen könnte, wenn man den Saisonstart um zwei oder drei Wochen nach hinten verlegt. «Bis zu welchem Grad sollen wir unsere Umwelt an einen Zeitplan anpassen, den wir haben wollen? Oder sollten wir unsere Zeitpläne an die Umwelt anpassen?», fragte jüngst etwa Mikaela Shiffrin, die amerikanische Ausnahmeathletin und Favoritin in der neuen Saison.

Auch der frühere Ski-Superstar Marcel Hirscher sagte in einem Interview der Nachrichtenagentur APA, dass die Saison zu früh anfange – und er als Österreicher weiß nur zu gut, dass der Skisport in der Alpenrepublik mindestens so heilig ist wie das Oktoberfest in München oder der Karneval im Rheinland.

Also künftig erst im November starten? Dann wird es knapp, bis März alle geplanten Rennen unterzubringen – der Weltverband Fis unter dem umstrittenen Präsidenten Johan Eliasch baute den Kalender in diesem Jahr auf je 45 Rennen pro Geschlecht aus. Oder einfach im Frühjahr länger fahren, etwa bis in den April hinein? «Aber wen interessiert es dann noch?», fragte selbst der deutsche Frauen-Chefcoach Andreas Puelacher. Es bleibt kompliziert.

Von Manuel Schwarz und Christoph Lother, dpa

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