Skispringer Karl Geiger ist beim Tournee-Auftakt in Oberstdorf einer der Favoriten. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Daniel Karmann/dpa)

Allein in diesem Dezember hat Karl Geiger schon einiges erlebt. Das Klausentreiben als Brauch der Geistervertreibung an Nikolaus, den nächsten Besuch des Christkindes bei seiner dreijährigen Tochter Luisa an Heiligabend und schließlich ein Festmahl mit Wild, Knödel, Pilzsoße und Blaukraut am ersten Weihnachtsfeiertag: Jedes Mal konnte Geiger trotz seines dichten Terminkalenders als Profisportler dabei sein, wenn in seiner Familie gefeiert wurde.

«Wir haben es uns einfach entspannt gemacht. Man kann das stressig sehen, aber es gibt viel zu essen. Es war sehr lecker und man hat die Leute um sich herum, die man am liebsten hat», sagte Deutschlands Skisprung-Hoffnung zu den geruhsamen Tagen. Stress an Weihnachten? Das liegt Geiger fern.

Heimspiel besonders einprägsam

Am Freitag (17.15 Uhr/ARD und Eurosport) wird Geiger etwas mehr Leute um sich herum haben: Genauer gesagt mindestens 25 000 Zuschauer im Auslauf seiner Heimschanze am Oberstdorfer Schattenberg. Der 30 Jahre alte Allgäuer ist beim Auftakt der bedeutenden 72. Vierschanzentournee nicht nur Lokalmatador, sondern auch einer der großen Hoffnungsträger des deutschen Teams. Im Dezember 2020 gewann er das Springen zwar schon einmal. Es fand coronabedingt damals aber vor leeren Rängen statt.

Geiger hat unzählige Sprünge auf der Anlage in seinem Heimatort absolviert, sie dient seit seiner Jugend als Trainingsschanze. «Mal hilft ein volles Stadion, mal nicht. Es ist mit das größte Privileg, dass wir vor so einem Publikum springen dürfen. Es ist der größte Motivationsschub. Es ist so einprägsam wie eigentlich kein anderer Wettkampf», beschrieb er die Gefühle vor dem stimmungsvollen Auftakt, der diesmal ganz besonders im Zeichen des Duells Deutschland gegen Österreich steht.

«Der Karl ist der Karl»

Geiger, Andreas Wellinger und Pius Paschke auf der deutschen Seite fordern den von Rückenproblemen geplagten Topfavoriten Stefan Kraft aus Österreich heraus. Der seit Jahren als Spitzenspringer etablierte Geiger gilt im deutschen Team als verlässlicher Garant, der sich kaum Fehler erlaubt. «Wir müssen in den Angriffsmodus gehen und dürfen nicht in den Verteidigungsmodus. Die Sprünge müssen noch besser werden. Es hört nicht auf. Wir stehen momentan gut da», sagte Bundestrainer Stefan Horngacher vor dem Auftakt.

Für Geiger hat sich als Papa und Ehemann einiges geändert, nicht nur das Weihnachtsmahl und der wieder eingeführte Besuch des Christkindes. Der 30-Jährige sieht viele Dinge entspannter. «Das ist schön und ich glaube, dass mir das hilft, auch noch mehr abzuschalten. Weil man einfach einen anderen Fokus hat», sagte Geiger, der sich in der Skisprungszene einen Ruf als Phänomen erworben hat. Fragt man Norwegens Cheftrainer Alexander Stöckl nach Geigers Qualitäten, merkt dieser nur trocken an: «Der Karl ist der Karl.»

Krasser Kontrast zu Eisenbichler

Und der Karl hat seit diesem Winter einen neuen Zimmerpartner, nämlich Youngster Philipp Raimund. Über diesen äußerte sich Geiger jüngst positiv und lobend. Dass sein enger Freund Markus Eisenbichler aber nicht mehr zum Weltcup-Team gehört, macht Geiger trotzdem zu schaffen. «Wir haben viel Kontakt tatsächlich, schreiben immer wieder einiges und telefonieren. Man ist nicht nur Zimmerkollege, da entwickelt sich auch eine Freundschaft über die Jahre», erzählte Geiger.

Das Beispiel Eisenbichler zeigt, wie schwierig es ist, sich über so einen langen Zeitraum in der Weltspitze zu halten. Während Geiger einer der großen Anwärter auf den goldenen Adler bei der Tournee ist, durchschreitet Eisenbichler ein schweres sportliches Tief und bekommt immer mehr Kritik ab.

«Ich weiß, dass Markus Eisenbichler ein schwieriger Charakter ist, der aber trotzdem für Deutschland schon die Fahnen hochgehalten hat», sagte Sven Hannawald der «Sportschau» vor Tournee-Beginn. «Für Markus gilt, entweder aufzuwachen oder beim eigenen Weg zu bleiben. Dann wird aber das Karriereende relativ nah sein.» Das kann man bei Karl Geiger wirklich nicht behaupten.

Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa

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