Vorgänger und Nachfolger: Ex-Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster (l) und sein Nachfolger Stefan Horngacher. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Arne Dedert/dpa)

Über Werner Schuster und seine glorreiche Ära spricht im deutschen Skispringen kaum mehr jemand. 

Dass der eloquente Schanzen-Erklärer nach knapp zwei Jahren schon fast in Vergessenheit geraten ist, liegt aber weniger an ihm selbst als viel mehr an seinem Nachfolger: Stefan Horngacher.

Im Stile eines nüchternen Lehrers treibt der Bundestrainer seit dem Frühjahr 2019 seine Athleten zu Höchstleistungen und formte Sieg-oder-Sarg-Flieger Markus Eisenbichler und den zuvor oft biederen Karl Geiger zu konstanten Siegspringern, die in den kommenden zehn Tagen etwas schaffen können, was Schuster beim Deutschen Skiverband (DSV) nie vergönnt war: den ersten Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee seit fast 20 Jahren.

Dabei wirkt Horngacher in seinen öffentlichen Auftritten oft etwas spröde und kauzig. Der 51 Jahre alte Tiroler, der zuvor Polen um Vorzeigeathlet Kamil Stoch von Erfolg zu Erfolg trieb, ist in dieser Hinsicht kein Vergleich zu Norwegens Alexander Stöckl oder Schuster, die bei Interviews an den Schanzen gerne mit der Wucht der Worte spielen, um etwas Werbung für das Skispringen zu betreiben. Auf die Frage nach der Einführung einer Tournee für Frauen hätten Stöckl und Schuster – anders als Horngacher – wohl nie mit «No comment from my side» («Kein Kommentar von mir») geantwortet.

Bei den Athleten aber ist «der Stef», wie er von seinen Schützlingen genannt wird, absolut unumstritten. Mehr noch: Wenn Eisenbichler über sein Verhältnis zu Horngacher referiert, klingt das wie eine einzige Lobeshymne. «Er spielt eine große Rolle, er hat die Fäden in der Hand und managt das. Ich trainiere nach seinem Plan. Da habe ich nie dran gezweifelt oder nachgefragt», sagte «Eisei», der zwar schon unter Schuster Weltmeister wurde, aber erst in diesem Winter zu einem Podestspringer mit großer Stabilität heranreift. Der 29-Jährige sagte, er habe gewusst: «Das ist eine Vision, die kann nur gut sein.»

Der langsame und schrittweise Aufbau talentierter Skispringer, der erst im Laufe der Zeit mit großen Trophäen belohnt wird, ist ein Markenzeichen von Horngachers Arbeit. In seiner dreijährigen Ära in Polen gelang so fast alles: Stoch holte nicht nur Olympia-Gold, sondern auch zwei Tourneesiege und den Gesamtweltcup.

Teamkollege Dawid Kubacki wurde im Endspurt noch Weltmeister, bevor Horngacher in einem TV-Interview im Anschluss an das Saisonfinale in Planica erzählte, er werde seinen Vertrag in Polen nicht verlängern. Wenige Wochen später war er dann Nachfolger von Schuster, dem er zuvor jahrelang als Assistent zugearbeitet hatte.

Inmitten des zweiten Weltcup-Winters unter Horngacher stehen vor allem für Eisenbichler (Weltcup-Siege) und Geiger (Tournee-Dritter,  Weltcup-Zweiter und Skiflug-Weltmeister) schon einige Erfolge zu Buche. Ex-Athlet Martin Schmitt hält es für einen großen Trumpf Horngachers, seine eigene Handschrift auch beim DSV umzusetzen.

«Er ist auch mutig genug, Dinge zu hinterfragen, und er hat nicht versucht, Werner Schuster zu kopieren», sagte Schmitt, der TV-Experte bei Eurosport ist. Als Vergleich für die Größe von Schusters Erbe nannte der Schwarzwälder Schmitt den Freiburger Fußballtrainer Christian Streich. «Sein Nachfolger wird es auch nicht einfach haben.» Horngacher hat den Start hingegen schon gemeistert: Für die Komplexität seiner Aufgabe hat er nach eineinhalb Jahren bereits einiges vorzuweisen.

Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa

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