Der ambitionierte WM-Plan der deutschen Langläufer steht kurz vor dem Scheitern.
«Wir sind nicht dort, wo wir sein wollten», stellte Bundestrainer Peter Schlickenrieder vor dem Start der 15. Tour de Ski am Neujahrstag in Val Müstair in der Schweiz ernüchtert fest. Sein Weckruf richtet sich an alle, die mit der Disziplin Langlauf zu tun haben: Athleten, Trainer, Funktionäre, Betreuer und Übungsleiter in den Vereinen.
Die goldenen Jahre der deutschen Langläufer liegen lange zurück. Die bislang letzte Medaille bei einem Großereignis gab es bei Olympia 2014 in Sotschi, als die Damen-Staffel Bronze gewann. Die bis dato letzte Herren-Medaille datiert gar aus dem Jahr 2011. An die großen Einzelerfolge der Weltcup-Gesamtsieger René Sommerfeldt, Axel Teichmann und Tobias Angerer erinnern sich nur noch die Älteren. «Es gab eine deutsche Langlauf-DNA, die wir alle verkörperten. Andere Nationen wie Norwegen haben uns beobachtet, analysiert und schließlich kopiert und überholt», sagte Angerer, heute Vizepräsident im Deutschen Skiverband (DSV).
Beim Versuch, danach weiter mitzuhalten, wurden Fehler gemacht. «Dabei haben wir unsere größten Talente wie Hannes Dotzler, Tim Tscharnke oder Franz Göring durch Verletzungen und Krankheiten verloren», sagte Schlickenrieder. Man habe hohe Trainingsreize zu früh angewendet, zu früh zu viel trainiert, meint auch Andreas Schlütter, Sportlicher Leiter der Langläufer. Es folgte eine jahrelange Durststrecke. Auch das große Ziel «Medaillen bei der Heim-WM», die im Februar und März in Oberstdorf stattfindet, ist in sehr weite Ferne gerückt.
Dabei kam mit Schlickenrieders Amtsübernahme 2018 Aufbruchstimmung auf. Es wurden Veränderungen beschlossen, an die Eigenverantwortung der Athleten appelliert, die Wissenschaft noch mehr hinzugezogen. «Wir hatten erkannt, dass wir nicht nur Kraft/Technik- oder Athletik/Technik-Probleme, sondern auch ein Ausdauerproblem haben. Die Frage war, wie man es schafft, die Ausdauerfähigkeit auf die hohen Geschwindigkeiten zu transformieren», erklärt Schlickenrieder.
Mit Blick auf Olympia 2022 in Peking fordert der Chefoach aus Bayern noch einmal ein Umdenken: «Die Schritte, die wir uns vorgenommen hatten, sind deutlich kleiner geworden. Wir müssen uns insgesamt noch einmal intensiv über die Dinge hermachen, um etwas zu ändern.»
Das betrifft auch die Testbereiche. «Wir müssen die Diagnostiken überprüfen und welche Schlussfolgerungen wir daraus mitnehmen», bemerkt Schlütter und bringt als Beispiel den Schubtest auf dem Laufband: «Bildet er das ab, was dann draußen wirklich geleistet werden muss?» Man habe «einfach zu lange an Standards festgehalten, ohne sie zu hinterfragen».
Und deshalb ist auch diese Tour de Ski, die von den Norwegern erneut coronabedingt ausgelassen wird, für das deutsche Langlauf-Team nur eine weitere Zwischenstation. WM-Normen einzusammeln von so vielen Startern wie möglich, lautet das Nahziel. «Ich sehe für die WM nicht so schwarz», sagte Schlütter.