Julia Tannheimer hat das gleiche Problem, das schon so einige aufstrebende deutsche Biathletinnen vor ihr hatten. Kaum stellen sich die ersten Erfolge ein, kommen unvermeidlich die Vergleiche mit ihren erfolgreichen Vorgängerinnen. Wird die 19-Jährige aus Ulm die neue Magdalena Neuner? Oder die neue Laura Dahlmeier? Abgesehen davon, dass es wohl keine sinnvolle Antwort auf diese Frage gibt, ist es noch viel zu früh, um Parallelen zu ziehen.
Die Sehnsucht nach einem neuen Biathlon-Star ist aber groß. Millionen Fans des beliebtesten deutschen TV-Wintersports vor den Fernsehern und Zehntausende bei den Weltcup-Heimspielen in Oberhof und Ruhpolding würden nur zu gerne wieder eine lächelnde Dauersiegerin im Stile der mittlerweile 37 Jahre alten Neuner sehen. Sportlich und von ihrer Art her scheint Tannheimer durchaus die Voraussetzungen zu haben, diese Rolle auszufüllen. «Absolut ein Versprechen für die Zukunft», sei das Talent, sagte Sportdirektor Felix Bitterling.
Geht es schon in Hochfilzen aufs Podest?
Wie sehr diese Worte stimmen, wurde in der Vorwoche in Kontiolahti klar, als sich Tannheimer im Zielraum die Tränen aus dem Gesicht wischte. Als Sechste im Sprint hatte sie überraschend gleich im zweiten Saisonrennen die WM-Norm erfüllt, als Fünfte im Massenstart toppte sie das am Sonntag sogar noch. In diesem jungen Alter starteten auch Neuner und Dahlmeier so richtig durch. Ist ein Podestplatz schon beim Sprint über 7,5 Kilometer im österreichischen Hochfilzen am Freitag (14.20 Uhr/ZDF und Eurosport) nun die logische Folge?
So einfach ist das sicher nicht. «Sie müssen ein bisschen Zeit bekommen. Sie haben Potenzial, aber sie brauchen eben Zeit», sagte Bitterling. Im Frauenteam hat sich zuletzt eine verheißungsvolle Gruppe entwickelt, die künftig die Weltspitze aufmischen könnte. Neben der fünfmaligen Junioren-Weltmeisterin Tannheimer sind in den kommenden Tagen im Pillerseetal auch Julia Kink und Selina Grotian (beide 20) dabei, zudem gibt in Marlene Fichtner (21) eine weitere Hoffnungsträgerin ihr Weltcup-Debüt. Die Bayerin hatte zum Start überraschend im zweitklassigen IBU-Cup ihr erstes Rennen gewonnen.
«Konkurrenz belebt das Geschäft»
«Sie sind unbekümmert und bringen mit dieser Art noch mal eine andere Stimmung ins Team rein», sagte Frauen-Trainer Kristian Mehringer, der derzeit die Qual der Wahl hat. «Konkurrenz belebt das Geschäft. Dass viele Neue nachkommen, freut uns natürlich auch», sagte der 43-Jährige.
Gesetzt sind Ex-Weltmeisterin Franziska Preuß (30) und Vanessa Voigt (27) als Routiniers. Beide sind «Weltklasse-Frauen», sagte Bitterling. Dahinter gibt es einen Kampf um die weiteren vier Plätze. Johanna Puff (22) war zum Auftakt dabei, musste aber für Fichtner weichen. Die WM-Medaillengewinnerinnen Sophia Schneider und Hanna Kebinger (beide 27) waren in diesem jungen Winter noch gar nicht dabei. «Wir haben eine sehr gute Gruppe. Die schieben sich gegenseitig dermaßen, da sind wir sehr glücklich drüber», sagte Bitterling.
Mit jeweils zwei Olympiasiegen waren Neuner (Rücktritt 2012) und Dahlmeier (2019) genau wie Denise Herrmann-Wick (2023) die bislang letzten großen deutschen Aushängeschilder des Biathlons. Neuner holte zudem zwölf WM-Titel, Dahlmeier sieben. Neben Tannheimer wurde auch Grotian schon mit ihnen verglichen, nachdem sie in der Vorsaison mit Rang vier im WM-Einzel und Bronze mit der Staffel überzeugt hatte. «Magdalena ist Magdalena – Laura ist Laura – und Selina. Das bin ich, einfach ein Mädchen, das Biathlon liebt», schrieb sie bei Instagram. Auch Tannheimer reagiert ähnlich zurückhaltend auf die Vergleiche.
Bei den Männern fehlen die Talente
«Eine gute Ausgangsposition» hat sein Frauenteam, sagte Mehringer. Auch mit Blick auf die Olympischen Spiele 2026 mit den Biathlon-Rennen in Antholz. Da sieht es bei den Männern schon schwieriger aus. «Da haben wir ein fettes Generationsloch», sagte Bitterling. Nachdem die ehemaligen Weltmeister Arnd Peiffer, Erik Lesser, Simon Schempp und Benedikt Doll nach und nach ihre Karrieren beendeten, kamen zu wenige Talente nach. Die Leistungsträger sind nun Justus Strelow (27), Philipp Nawrath (31) und Johannes Kühn (33).
Im Alter von Anfang 20 gibt es niemanden, der sich anbietet. «Diese Generation fehlt uns leider, warum auch immer», sagte Bitterling. Die Gründe dafür liegen vor seiner Amtszeit. Ziel müsse es sein, den Nachwuchs besser heranzuführen. Gelingen soll das auch, indem die Sportler früher in höhere Wettkampfklassen gesteckt werden. Sie sollen früher gefordert und gefördert werden.
Bei den Frauen ist das gar nicht mehr nötig. «Es sind alle ziemlich auf einem Niveau», sagte Grotian mit Blick auf sich und die Kolleginnen. Ob da jemand heraussticht? Ein Name fiel der fünfmaligen Junioren-Weltmeisterin nicht ein, dafür versprach sie für die nächsten Monate: «Diese Saison kommen sicher noch Überraschungen raus.»