Francesco Friedrich geht bei der Heim-WM in Altenberg mit viel Weitsicht an den Start. Denn erstmals nach fünf WM-Titeln in Serie und dem Olympiasieg in Pyeongchang sitzt nicht Stammanschieber Thorsten Margis mit im kleinen Schlitten.
Der Antreiber, Motivator und Lautsprecher vom SV Halle wird von Vereinskollege Alexander Schüller ersetzt. Der 23-Jährige gilt aktuell als Deutschlands bester Anschieber und ist mit Vorzeigepilot Friedrich in diesem Winter noch unbezwungen. «Wir haben in dieser Saison ja immer gewechselt und haben daraus eine eindeutige Tendenz ausgemacht. Da war Alex ein, zwei Hundertstel schneller», sagte Friedrich im «Sport-im-Osten-Talk» des MDR.
Damit leitet Perfektionist Friedrich mit Blick auf Olympia 2022 in Peking einen Generationswechsel ein. «Wir haben noch richtig Großes vor, entwickeln unseren Bob in jedem Rennen weiter. Es ist alles auf Peking ausgerichtet», betonte der Doppel-Olympiasieger, der in Altenberg nur die Wetterkapriolen fürchtet: «Je verrückter das Wetter, umso spannender wird das Rennen. Es soll das ganze Wochenende schneien, da sind dann Leute dabei, die im Schnee einfach das bessere Setup haben.» Nach den ersten Trainingseinheiten lobte Friedrich die Bahn: «Sie steht noch besser als letztes Jahr, das Risiko wurde deutlich minimiert.»
Für ihn und Heimtrainer Gerd Leopold war beim Gesamtpaket Schüller die «höhere Abgangsgeschwindigkeit» entscheidend. Der gebürtige Leipziger Schüller ist mit seinen 23 Jahren acht Lenze jünger als Margis. Der Wechsel zu Schüller deutete sich leistungsmäßig schon 2019 bei der WM in Whistler an.
Doch neben Athletik und Schubkraft zählen bei Friedrich auch Teamfähigkeit, Akribie beim Material und im Falle von Margis auch die ein oder andere Portion Motivation. Denn der einstige Zehnkämpfer war und ist einer der wenigen im Team, die den Chef auch mal – wie 2019 nach einem verkorksten Auftaktlauf in Whistler oder 2018 bei Olympia in Pyeongchang – richtig antreiben können und dürfen.
Der eher leise agierende Ex-Diskuswerfer Schüller, der im gemeinsamen Training den ehrgeizigen Routinier immer wieder herausfordert, lernt abseits der Eisrinne enorm von Margis. Vom einstigen Laufburschen in der Friedrich-Crew ist er längst zu einer festen Größe geworden. «Er hat in diesem starken Team eine enorme Entwicklung genommen», sagt Cheftrainer René Spies. Die Chance im Zweierbob ist nun die Folge, so wie einst der Wechsel von Jannis Bäcker, der Friedrich beim WM-Premierensieg 2013 in St. Moritz anschob, auf Margis. Dieser holte dann fünf WM-Siege in Serie mit Friedrich.
Diese Serie soll Schüller nun fortsetzen. In den Zweierbob-Rennen am Samstag und Sonntag könnte Titelverteidiger Friedrich seinen insgesamt zehnten WM-Titel einfahren – damit wäre er alleiniger Rekord-Weltmeister. Der legendäre Italiener Eugenio Monti gewann zwischen 1957 und 1966 insgesamt neun Titel (sieben im Zweierbob/zwei im Viererbob). Allerdings wurden damals die Olympia-Rennen zugleich auch als WM-Rennen gewertet.
Den Serien-Rekord im kleinen Schlitten von Monti mit fünf Titeln hatte Friedrich schon im Vorjahr mit dem sechsten WM-Coup geknackt. Nun fehlt ihm, der mit seinen insgesamt 52 Weltcup-Siegen auch in dieser Wertung die Führung übernommen hat, nur noch der Olympia-Rekord. «Erst mal denken wir an Peking, dann an die WM 2023 in St. Moritz und schauen, ob der Körper mitspielt», betonte Friedrich. Denn der viermalige Olympiasieger André Lange, der 2010 noch Silber im Viererbob holte, führt in dieser Wertung noch souverän. Dieses Vorhaben soll dann vor allen Schüller mit umsetzen, der im Viererbob mit Margis zusammen im Schlitten sitzt.