Die goldenen WM-Jahre wollen Deutschlands Medaillensammler in der herrlichen Heim-Atmosphäre von Oberstdorf nur zu gerne fortsetzen.
Bei sonnigem Frühlingswetter und dem traumhaften Anblick der schneebedeckten Alpengipfel hofft das deutsche Team um Dreifach-Weltmeister Markus Eisenbichler und die Lokalmatadoren Karl und Vinzenz Geiger auf eine Wiederholung der Seefeld-Festspiele, bei denen die Athleten des Deutschen Skiverbandes (DSV) sechs WM-Titel und drei weitere Silbermedaillen abgeräumt hatten. «Wir versuchen, das Level zu halten», sagte Verbandspräsident Franz Steinle der Deutschen Presse-Agentur.
Doch das wird in der coronabedingt gedämpften Stadion-Tristesse am Schattenberg und im Ried eine brutal schwere Aufgabe. Vor allem die Skispringer, die 2019 zwei Drittel aller Titel und WM-Medaillen zum Gesamtergebnis beisteuerten, stehen bei den am Mittwoch beginnenden Titelkämpfen im Fokus. Konkrete Medaillenziele nennen trotz der jüngsten WM-Erfolge weder die einzelnen Sparten noch der DSV. Der Druck ist dennoch besonders groß, arbeitet der Verband doch seit Jahren auf 2021 und die Heim-WM hin.
Skisprung-Chefcoach Stefan Horngacher sagt zwar: «Nach Gold, Silber und Bronze bei der Skiflug-WM können wir ganz entspannt nach Oberstdorf fahren. Dort können wir eigentlich nur gewinnen und nichts verlieren.» Doch auf dem Spiel stehen nicht nur drei 2019 errungene Titel, sondern auch ein gelungenes Saisonhighlight, das in den vergangenen Jahren unter Bundestrainer Werner Schuster zum Standard wurde.
Eisenbichler und Geiger haben leistungsmäßig die Springergeneration Severin Freund/Richard Freitag abgelöst und tragen in Oberstdorf die großen Hoffnungen. Vor allem für Geiger, der bei der WM 2005 als Kind noch die Fahne Kasachstans ins Stadion tragen durfte, ist das Großevent in seinem Heimatort etwas Besonderes. «Wir können bei der Heim-WM mit breiter Brust aufmarschieren und angreifen. Wir haben nichts zu verlieren», betonte Geiger, der im Dezember bei der Vierschanzentournee schon einen emotionalen Heimsieg gefeiert hatte.
Hinter dem Spitzenduo gibt es im deutschen Skispringen aber weitere Sorgen. In der Breite sind die Männer bei weitem nicht mehr so gut aufgestellt wie 2019. Auch die Frauen um die Allgäuerin Katharina Althaus, die bei den vergangenen Großereignissen Medaillengaranten waren, sind just in dem Winter nicht mehr so stark, in dem es mit einem Einzel von der Großschanze eine weitere Chance gäbe. Zu den Aussichten sagte Teammanager Horst Hüttel: «Die WM in Seefeld war außergewöhnlich. Das ist ein Stück weit utopisch, da ist so viel zusammengelaufen, in positiver Hinsicht.» Lahti (elf Medaillen) und Falun (acht Medaillen) waren zuvor ähnlich grandios verlaufen.
Verlässlicher als die Schanzenspringer sollten bei der Jagd nach Gold, Silber und Bronze diesmal die Nordischen Kombinierer sein. In Eric Frenzel, Vinzenz Geiger und Fabian Rießle stellt das Team von Coach Hermann Weinbuch drei absolute Top-Akteure. Im Einzel ist Jarl Magnus Riiber aus Norwegen der Gigant, den es zu überwinden gilt. «Er ist der Matador», sagte Weinbuch, der Youngster Geiger derzeit für seinen stärksten Schützling hält. Große Medaillenchancen gibt es zudem im Team und im Teamsprint. Was die erstmalige Entscheidung der Kombi-Frauen bringt, lässt sich kaum voraussagen.
Wie in den Vorjahren wenig zur Gesamtbilanz beitragen dürften die Langläufer. Das Team von Peter Schlickenrieder arbeitet zwar seit Jahren gezielt auf Oberstdorf hin, hat den Rückstand zur Weltspitze aber kaum verringern können. Zu einer möglichen Medaille sagte der Teamchef: «Wenn ich ehrlich bin: Nein. Da sage ich, das ist nicht realistisch.»
In den Loipen richtet sich der Fokus stattdessen auf die Stars der Szene: Die Norwegerin Therese Johaug oder den Russen Alexander Bolschunow, der im Weltcup zuletzt neben seiner sportlichen Leistung auch damit auffiel, einen Rivalen im Zielraum per Bodycheck niederzustrecken. «Das zeigt, was für eine emotionale Energie da drinsteckt in dem Burschen», sagte Schlickenrieder.