Die gigantische Olympia-Bahn im Xiaohaituo-Gebirge trieb Rodlerin Julia Taubitz Freudentränen in die Augen. Andere wie Olympiasieger Felix Loch zeigten sich vor dem Weltcup-Auftakt auf dem Mega-Bauwerk für die Winterspiele von Peking deutlich kritischer.
«Muss man unbedingt so protzen?», schimpfte der 13-fache Weltmeister. Chinas Gigantismus und die knallharten Corona-Regeln sorgen bei den Olympia-Probefahrten in Yanqing für ein ziemlich gespaltenes Meinungsbild bei Deutschlands Kufensportlern.
Besonders genervt war die viermalige Rodel-Olympiasiegerin Natalie Geisenberger. Nach einem Irrtum in der Kontaktverfolgung musste sie in die Corona-Isolation und beklagte schlechtes Essen und fehlende Bewegungschancen. Teamkollege Loch fand es «frustrierend, wenn du den ganzen Tag auf dem Zimmer sitzen musst und nur zum Training an die Bahn rausdarfst». Die Testwettkämpfe für Olympia sieht nicht nur der 32 Jahre alte Routinier Loch als «eine ganz schöne Herausforderung».
Friedrich schwärmt von neuem «Superlativ»
Doch es gibt auch andere Ansichten. Doppel-Olympiasieger Francesco Friedrich, der Anfang Oktober die Testrennen im kleinen und großen Bob gewann, schwärmte von den Fahrten im Eis-Labyrinth. 16 Kurven schlängeln sich auf knapp 1,9 Kilometer Länge wie ein chinesischer Drache durch die Berge. Für den Sachsen aus Pirna ist ein neuer «Superlativ» geschaffen worden. «Inmitten des Xiaohaituo-Gebirges ist sie sowohl fahrerisch als auch touristisch ein Highlight», meinte Friedrich.
Bei den Winterspielen vom 4. bis 20. Februar 2022 peilt Friedrich erneut das Double an. Das Drumherum fand der Rekord-Weltmeister «ziemlich gut, viel besser als erwartet». Auch mit dem restriktiven Vorgehen der chinesischen Beamten hatte der Bobpilot gerechnet. «Ich denke, es wird bei den Spielen viel lockerer werden, wenn wir im Dorf sind und eh alle unter uns sind – da die Sportler eh keinen Kontakt zu anderen Leuten haben», sagte er.
Friedrich will nicht hadern. «Es gewinnt eh der, der am Entspanntesten ist, der sich auf alle Gegebenheiten einstellen kann und nicht dran rummosert», betonte er. Für die Bobpiloten beginnt die Weltcup-Saison am Wochenende in Innsbruck, nach China kehren sie erst für die Winterspiele zurück.
Deutscher Verband mit klaren Zielvorgaben
Vorstandschef Thomas Schwab vom Bob- und Schlittenverband für Deutschland hält die Zielvorgaben im Eiskanal weiter hoch. «Wir wollen in jeder Disziplin eine Medaille machen. In den herausragenden Disziplinen wie zum Beispiel Damen-Rodeln oder im Bobsport in der ein oder anderen Disziplin dürfen es auch zwei Medaillen sein. Das ist der Anspruch», sagte Schwab der Deutschen Presse-Agentur. Nur wenige andere Sportarten wie Ski- und Snowboard-Crosser sowie Shorttracker kamen vorher in den Genuss, die Wettkampfstätten zu testen.
Die neue Bahn bezeichnete Schwab als «die spektakulärste Sportanlage, die wir jemals gebaut haben. Auf der anderen Seite hat sie auch ihren Preis, doch es ist auch immer eine Frage des Auftraggebers», sagte Schwab. Im Vergleich zur Bahn in Pyeongchang, wo die Ausgaben bei knapp unter 100 Millionen Euro lagen, habe man mit Peking «ein gutes Ziel erreicht, wenn wir rein die Kosten der Eisröhre berechnen und die Kosten drumherum rausrechnen». Zudem sei der sportliche Wert sehr hoch.
«Die Bahn ist sehr anspruchsvoll, weil für alle drei Disziplinen fast in jeder Kurve völlig andere Prinzipien anzusetzen sind», sagte Rodel-Bundestrainer Norbert Loch. Das bekam der polnische Rodler Mateusz Sochowicz zu spüren, der bei den ersten Testfahren schwer stürzte. Diese bittere Erfahrung machte Felix Loch in Pyeongchang, als er in Führung liegend im vierten und letzten Lauf in Kurve neun stürzte und sein schon sicher geglaubtes viertes Gold bei Olympia noch verlor. Die nächste Chance bietet sich Loch auf Pekings Protzbau.