Franziska Preuss im Biathlonzentrum beim liegend Anschlag in Aktion. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Kirsty Wigglesworth/AP/dpa)

Bei den Gedanken an Olympia kommen bei Franziska Preuß unausweichlich auch die Erinnerungen an den wohl schwärzesten Tag ihrer Karriere hoch.

Mit Tränen in den Augen stand die damals erst 19 Jahre alte Biathletin bei den Winterspielen 2014 in Sotschi am Schießstand, zuvor war sie als Startläuferin der deutschen Staffel schwer gestürzt und kauerte am Ende eines völlig verkorksten Rennens mit leerem Blick im Schnee. Die junge Preuß war auf einmal das Gesicht des deutschen Misserfolgs in Russland. Es war nicht der letzte Rückschlag in einer turbulenten Karriere, die acht Jahre später in Peking eigentlich mit einer Medaille gekrönt werden sollte.

Offen, wann Preuß das erste Mal an den Start geht

«Olympia – das waren immer gemischte Gefühle», sagt Preuß heute im Alter von 27 Jahren. Die Bayerin galt als größte deutsche Hoffnung auf Edelmetall, bevor sie sich im Dezember in Frankreich bei einem Treppensturz erst am Fuß verletzte und sich dann auch noch eine Corona-Infektion einfing, die sie «einen mentalen Tiefpunkt» nannte. Vier Weltcups verpasste Preuß, konnte wochenlang nicht trainieren und muss froh sein, überhaupt in China dabei zu sein. «Ich war kurzzeitig nicht mehr so sicher, ob es klappt», sagte sie kurz vor den Spielen: «Deswegen freue ich mich umso mehr, dass Peking jetzt losgeht.»

Noch ist offen, wann Preuß, die Gesamtweltcup-Dritte der Vorsaison, auf den schweren Strecken von Zhangjiakou in 1700 Metern Höhe das erste Mal an den Start geht. Ein Einsatz gleich zum Auftakt in der Mixedstaffel an diesem Samstag (10.00 Uhr) gilt als unwahrscheinlich, die nächste Chance gäbe es am Montag im Einzel über 15 Kilometer. «Wir wissen noch nicht genau, wo Franzi steht. Sie soll ein gutes Gefühl bekommen», sagte Frauen-Bundestrainer Kristian Mehringer.

«Es sind schon noch viele Fragezeichen da»

Preuß war mit großen Hoffnungen in den Olympia-Winter gestartet, nachdem es in der Vorsaison so gut gelaufen war wie noch nie. Endlich kam sie ohne Rückschläge durch das Jahr und reifte zur Führungsfigur. Als sie 2013 noch als Teenager in den Weltcup kam, wurde ihr ähnliches Potenzial bescheinigt wie der knapp ein Jahr älteren Laura Dahlmeier. Doch Verletzungen, Pech und Krankheiten verhinderten immer wieder konstant gutes Arbeiten, während Dahlmeier phasenweise gnadenlos dominierte, zweimal Olympiasiegerin und siebenmal Weltmeisterin wurde, ehe sie schon 2019 überraschend zurücktrat.

Und Preuß? 2015 holte sie in Finnland WM-Silber im Massenstart. Es ist ihre einzige Einzelmedaille bei Großereignissen, hinzu kommen aber sechs weitere WM-Plaketten mit Staffeln. Dass in Peking weitere nach Wochen ohne Wettkämpfen hinzukommen, scheint schwer vorstellbar. «Es sind schon noch viele Fragezeichen da. Ich wäre natürlich gerne mit anderen Erwartungen hier hergefahren, aber aktuell muss ich es einfach nehmen, wie es kommt», sagte Preuß am Donnerstag vor dem Training: «Ich werde das Beste probieren und meine aktuell 100 Prozent abrufen. Dann schaue ich einfach, was der Körper so hergibt.»

Aller guten Dinge sind drei

Bei dünner Luft in der Höhe, eisigen Temperaturen von unter minus zehn Grad und starkem Wind wird die Herausforderung jedenfalls enorm. Doch das ist Preuß aus der Vergangenheit gewohnt. «Ich probiere, dass ich mich auf mich konzentriere», sagte die Staffel-Weltmeisterin von 2015 locker: «Ich mache mir da jetzt noch nicht unnötig Druck.»

In Sotschi lief die deutsche Staffel mit Preuß vor acht Jahren als Elfte ins Ziel. Schlechter war das Frauenteam bei Groß-Events noch nie, auch 2018 reichte es nur zu Platz acht. Preuß schoss dabei eine Strafrunde und war mit dem DSV-Quartett im Medaillen-Rennen wieder ohne Chance. Schmerzhafter war aber der 21. Februar 2014, an dem vor dem Start der Doping-Fall um Evi Sachenbacher-Stehle öffentlich geworden war. Ihre jungen Teamkolleginnen verunsicherte das zutiefst.

Preuß spricht ungern über diese schwierigen Momente und fokussiert sich lieber auf ihr drittes Mal Olympia: «Ich habe mir gedacht, aller guten Dinge sind drei. Ich gehe jetzt ganz neutral an die Sache ran.»

Von Thomas Wolfer, dpa

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