Die untröstliche Katharina Althaus weinte an der eiskalten Olympia-Schanze von Zhangjiakou, Bundestrainer Stefan Horngacher schimpfte voller Wut gegen die Regelhüter:
Deutschlands Skisprung-Mixed hat nach einer viel diskutierten Disqualifikation von Topspringerin Althaus die Mixed-Medaille bei den Winterspielen klar verpasst und im Anzug-Chaos einen schweren emotionalen Rückschlag erlitten. «Für mich ist es ein Kasperletheater. Das ist nicht mehr im Sinne des Sports», sagte Männer-Coach Horngacher, der nach dem Wirrwarr sogar indirekt mit seinem Rückzug drohte.
Denkwürdiger Skisprung-Mixed-Wettbewerb
«Ich für mich muss mir überlegen, ob ich das Kasperletheater nächstes Jahr noch mitmache», sagte er im ZDF. Er sei sehr enttäuscht, betonte der Chefcoach aus Österreich am Montag. Althaus‘ Anzug war laut Jury nicht regelkonform, es war eine von insgesamt fünf Disqualifikationen an diesem Tag. Die aufgelöste Althaus sagte: «Ich bin mega stinksauer, ich bin enttäuscht. Es tut richtig weh. Mir tut es für das Team leid, dass mein Name da steht.» Es sei ihre erste Disqualifikation gewesen.
Außer Goldgewinner Slowenien waren alle Top-Nationen betroffen. «Das finde ich schon sehr fragwürdig, um nicht zu sagen skandalös. Das können wir alle nicht nachvollziehen», sagte Teammanager Horst Hüttel, der vor lauter Frust sein Funkgerät zerstörte.
Einzel-Silbergewinnerin Althaus, Selina Freitag, Constantin Schmid und Karl Geiger wurden nach einer deutschen Serie von vier WM-Titeln in dieser Disziplin Neunte und gingen bei der Olympia-Premiere leer aus. Schlussspringer Geiger hatte das emotionale Chaos innerhalb weniger Sekunden erlebt. Zunächst bejubelte Deutschlands Skisprung-Star seinen mit Abstand besten Sprung auf dieser Schanze, dann sah er auf dem großen Monitor die «Acht» aufleuchten und realisierte die folgenschwere Disqualifikation seiner Teamkollegin.
Geiger: «Das ist schon mega skurril»
«Ich habe es erst gar nicht mitbekommen. Boah, das ist echt eine harte Nummer. Das ist schon mega skurril, dass da drei rausgehauen werden», kommentierte der 28 Jahre alte Geiger, der im Einzel als 15. enttäuscht hatte. «Irgendwas ist komisch.» Am Ende waren sogar fünf Athletinnen disqualifiziert worden, neben Althaus auch die Japanerin Sara Takanashi sowie Daniela Iraschko-Stolz aus Österreich und zwei Norwegerinnen. Topfavorit Slowenien siegte locker vor dem Team des Russischen Olympischen Komitees und Profiteur Kanada.
Doch was war passiert? Das konnten weder Horngacher noch Hüttel oder Frauen-Bundestrainer Maximilian Mechler schlüssig erklären. «Es liegt in unserer Verantwortung, dass der Anzug auch passt. Vor zwei Tagen hat er noch gepasst und jetzt ist es extrem enttäuschend. Das ist extrem bitter für uns», sagte Mechler.
Horngacher prangerte auch den Weltverband an: «Das ganze Prozedere mit Messung und Management von der Fis ist aus meiner Sicht nicht besser geworden, sondern eher schlechter.» An eine solche Häufung an Disqualifikationen von Topathleten bei einem Großereignis konnte sich niemand erinnern.
Es erwischt vier große Skisprung-Nationen
Auch Hüttel war außer sich, dass es ausgerechnet vier große Nationen des Skispringens erwischte: «Wir sind ja nicht alle bescheuert, und wir wollen ja nicht alle manipulieren. So macht man die Sache ein Stück weit kaputt.» Die Funktionäre waren sich einig, dass diesmal mit anderen Maßstäben und anderer Detailversessenheit gemessen wurde als sonst üblich. Für die Sprungkleidung gibt es genaue Regeln. Je größer der Anzug ist, desto mehr Tragfläche bietet er den Athletinnen und Athleten.
«Das war jetzt natürlich echt bitter, das muss man echt sagen. Bei Olympia fangen sie dann an, anders oder mehr zu messen», sagte Horngacher. Leidtragende waren nicht nur die vier besiegten Nationen, sondern auch der Sport. In Erinnerung bleiben wird ein denkwürdiges Mixed ohne großen sportlichen Wettkampf um Gold, Silber und Bronze.
Für Deutschland endete eine famose Siegesserie: 2015, 2017, 2019 und 2021 wurden jeweils die WM-Titel in dieser Disziplin gewonnen, diesmal wurde es auf besonders bittere Art und Weise nichts. Zwar war das Quartett um Geiger und Althaus angesichts der zuvor gezeigten Leistungen nur als Außenseiter gehandelt worden, jedoch war eine Medaille im ersten Durchgang nach zwei Disqualifikationen von Konkurrentinnen greifbar. Der im Weltcup führende Geiger, der sich am Sonntag als «gescheitert» bezeichnet hatte, verpasste die zweite Chance auf Edelmetall. Auf der großen Anlage von Zhangjiakou wollen er und sein schwächelnder Kumpel Markus Eisenbichler einen Neustart.