Thomas Dreßen ließ vor Freude die Skistöcke in der Luft kreisen, lachte breit auf und holte sich im Zielraum von Garmisch-Partenkirchen reihenweise Schulterklopfer ab.
«Ich bin extrem zufrieden von der Steigerung her, nicht nur von der Zeit, sondern auch vom Fahrerischen her», sagte der Abfahrer – ehe seine gute Laune abrupt vom folgenschweren Sturz des Teamkollegen Josef Ferstl getrübt wurde. Das deutsche Skiteam hatte gleich doppelt Pech: Einmal dass Ferstl durch die Folgen des Unfalls für den Rest der Saison samt der anstehenden WM ausfällt. Und dann auch noch, dass Dreßen diesmal nur Vorläufer auf der Kandahar war.
Im Rennen verpassten die zuletzt noch formstarken Teamkollegen Romed Baumann (14.) und Andreas Sander (24.) die Top Ten dann deutlich. «Wir haben heute nicht die Attacke gezeigt wie sonst in den Rennen», resümierte Alpinchef Wolfgang Maier. «Aber mei, das passiert.»
Die Lage verschlimmerte sich am späteren Nachmittag, als bei Ferstl im Krankenhaus ein Muskelbündelriss im linken Hüftbeuger sowie ein angebrochenes linkes Sprunggelenk diagnostiziert wurden. Der Bayer werde acht bis zehn Wochen ausfallen, hieß es. Der 32-Jährige war gestürzt und dann durch die Luft und in einen Fangzaun geschleudert worden. Er konnte zwar selbstständig auf Ski ins Tal fahren und gab sogleich Entwarnung, was seine Knie anbelangte. Am Sprunggelenk und an der Hüfte aber spürte der Kitzbühel-Sieger im Super-G von 2019 heftige Schmerzen – und das hatte Gründe, wie später herauskam.
Bester Deutscher beim Sieg von Dominik Paris aus Südtirol war Dominik Schwaiger auf Platz zwölf (+1,36 Sekunden), der dem Oberbayern endgültig den Startplätz bei der WM in Cortina d’Ampezzo sichern dürfte. «Den nehmen wir definitiv mit nach Cortina», sagte Maier.
Für die in der nächsten Woche beginnenden Weltmeisterschaften wollten sich die deutschen Speed-Asse bei dem Heimrennen eine kräftige Portion Extra-Schwung holen. Neben Schwaiger gelang das aber nur dem Ende November an der Hüfte operierten Dreßen in seinem Wettlauf gegen die Zeit. Nachdem der Mittenwalder am Donnerstag erstmals in der Saison wieder ein Training auf einem Weltcuphang bestritten hatte, ließ er das Rennen sicherheitshalber noch aus und nutzte den Tag als Vorläufer, um sich weiter Selbstvertrauen zu holen.
«Das war heute eine ganz andere Selbstverständlichkeit», berichtete der Kitzbühel-Sieger von 2018, für den eine Teilnahme an der WM immer wahrscheinlicher wird. «Mit dem positiven Gefühl tue ich mich jetzt natürlich leichter in Richtung Cortina», sagte er. «Ich glaube, dass ich dann eine gute Performance abliefern kann.»
Der fünffache Weltcupsieger ist für Cortina gesetzt, wenn er fit ist. Auch Sander und Baumann haben sich ihr Startrecht in den vergangenen Weltcups, etwa in Kitzbühel, verdient. Nun gilt es, sich von der verpatzten Garmisch-Abfahrt nicht verunsichern zu lassen. «Es war jetzt nicht so, dass ich skitechnisch irgendwelche Defizite gehabt hätte. Von daher beunruhigt mich das überhaupt nicht», fand Baumann.
Beunruhigt muss Schwaiger auch nicht sein – im Gegenteil: Nach seinen guten Vorstellungen in Kitzbühel unterstrich der 29-Jährige seine Klasse. «Ich glaube, die Form passt im Moment. So machen wir weiter!»
Bis auf Ferstl schafften es alle Deutschen in die Punkteränge, weil auch Simon Jocher und Manuel Schmid auf den Plätzen 25 und 29 unter die Top 30 kamen. Paris gewann vor Beat Feuz aus der Schweiz (+0,37) und dem Österreicher Matthias Mayer (+0,40) – das sind die Favoriten auf WM-Gold. Aber vielleicht kann dann auch Dreßen mitmischen.