Kommt derzeit nicht mehr aus dem Jubeln raus: Pius Paschke. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Grzegorz Momot/PAP/dpa)

Ein Sven Hannawald oder ein Andreas Wellinger wird Pius Paschke in diesem Leben nicht mehr. Wenn sich der bescheidene Skispringer aus dem beschaulichen bayerischen Kiefersfelden an den Schanzen dieser Welt bewegt, kreischen keine Teenies. Auch bei Interviews, Fotowünschen und Autogrammen sind seit Jahren stets andere gefragt: Olympiasieger Wellinger oder der in seiner Sprache recht derbe Markus Eisenbichler zum Beispiel.

Ein 28. Platz bei den größten Erfolgen

Doch das dürfte sich in den kommenden Wochen recht schnell ändern, denn: Der 34 Jahre alte Paschke ist derzeit der beste und erfolgreichste Skispringer der Welt. Und er könnte in weniger als vier Wochen das schaffen, worauf die Schanzennation Deutschland seit Hannawald im Januar 2002 wartet – einen Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. 

«Man redet immer: Die Tournee schreibt ihre eigenen Geschichten. Mich würde es nicht wundern, wenn es jetzt diese Geschichte mit Pius wäre. Ich würde mich freuen», sagt Hannawald, der Paschke als «eines von zwei Rennpferden im deutschen Stall» beschreibt. Das andere ist für ihn der Tournee-Zweite Wellinger, der im Sommer dominiert hat.

Paschke hat keine auffälligen Sponsorendeals wie Wellinger und auch kein Markenzeichen wie Martin Schmitt früher die lila Kappe. In seiner Vita wird bei den größten Erfolgen unter anderem ein 28. Platz bei Olympia 2022 in Peking gelistet. 

Sieg mit Wellinger im Super-Team-Format

Gemeinsam mit Wellinger startete Paschke mit einem souveränen Sieg ins Weltcup-Wochenende in Titisee-Neustadt. Das Duo gewann das Super-Team-Format mit insgesamt 873,3 Punkten vor Österreich (850,0) und Norwegen (829,2). Der 34-jährige Paschke zeigte auch auf der Hochfirstschanze im Schwarzwald seine derzeit überragende Form. Mit Sprüngen von 143,5 und 140 sowie 142,5 Metern legte er den Grundstein für den Teamerfolg.

Geistig «reifer und klarer»

Das wohl spektakulärste Foto, das es von Paschke zu sehen gibt, findet sich bei seinem Arbeitgeber. Der Skispringer posiert dabei in seiner Uniform als Polizeiobermeister in der Anlaufspur einer kleinen Sprungschanze. Der Blick konzentriert, voller Fokus nach vorn. 

«Ich habe mich in sämtlichen Bereichen Schritt für Schritt weiterentwickelt. Mir geht es körperlich sehr gut. Geistig bin ich jetzt reifer und klarer», beschreibt Paschke seine eigene Entwicklung. Dem Vergleich mit einem frisierten Oldtimer stimmt er spontan zu. «Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.»

Der Bayer hat mit 33 seinen ersten Weltcup-Sieg eingefahren und stand in diesem Winter bereits dreimal auf der obersten Stufe des Podiums. Paschke trägt beim Heim-Weltcup in Titisee-Neustadt das Gelbe Trikot des Gesamtführenden und wird auch bei der Vierschanzentournee zu den Topfavoriten zählen. «Was jetzt mit Pius passiert, mag niemand glauben. Das wird immer noch unglaublicher», sagt Hannawald der Deutschen Presse-Agentur vor dem Heimspiel im Schwarzwald.

Sprung ins Rampenlicht

Springer wie Österreichs Weltrekordhalter Stefan Kraft, Tournee-Sieger Ryoyu Kobayashi aus Japan oder Teamkollege Wellinger lässt Paschke derzeit hinter sich – oft relativ deutlich. Der Familienvater schafft in diesen Wochen endgültig den Sprung ins Rampenlicht und wird sich im nächsten Monat auf deutlich steigenden Medienrummel und eine ganz andere Situation einstellen müssen. «Für mich ist Selbstvertrauen und Selbstverständnis wichtig», erklärt Paschke. Davon hat er derzeit so viel wie nie zuvor.

Für Paschke, der einen äußerst dankbaren und genügsamen Eindruck macht, kann die Vierschanzentournee gar nicht schnell genug kommen. Doch seine derzeitige Topform muss er nach dem Heim-Weltcup in Titisee und der Generalprobe in Engelberg in der kommenden Woche auch noch über Weihnachten konservieren, bevor es am 29. Dezember in Oberstdorf losgeht. 

Weihnachtstage als Gefahr

«Die Schwierigkeit ist, dass durch die Weihnachtsfeiertage der Rhythmus durchbrochen wird. Dann fängt auch immer der Kopf an, sich damit zu befassen. Das bringt dich dann auch weg und kann blockieren», skizziert Hannawald die möglichen Gefahren.

Ob Richard Freitag, Olympiasieger Wellinger oder Lokalmatador Karl Geiger: In den vergangenen Jahren sind im Wettkampf um den goldenen Adler schon einige deutsche Springer gestoppt worden. Hannawalds historischer Triumph mit vier Einzelsiegen in Serie wird am 6. Januar bereits 23 Jahre her sein.

Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa

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