Die erlösende erste WM-Medaille für die deutschen Biathleten war greifbar, doch dann versagten Denise Herrmann doch die Nerven.
Mit zwei Fehlern im letzten Schießen vergab die Sächsin auf Platz drei liegend am Sonntag die bislang beste Chance auf Edelmetall und wurde im slowenischen Pokljuka Achte in der Verfolgung. Damit war der schlechteste WM-Start der DSV-Skijäger seit acht Jahren perfekt. Auch 2013 hatte es im tschechischen Nove Mesto in der ersten WM-Woche kein Edelmetall gegeben. Während die Frauen wenigstens in den Kampf um die vorderen Plätze eingreifen konnten, sind die Männer um Olympiasieger Arnd Peiffer erschreckend weit weg von der Weltspitze.
«Ich war so nah dran, das ärgert mich extrem. Ich hatte es selbst in der Hand», sagte die enttäuschte Herrmann. Nicht nur am Schießstand hatte die Ex-Langläuferin Probleme, auch in der Loipe konnte sie nicht wie gewünscht Tempo machen. «Ich war muskulär ganz schön angeknockt. Auf der Strecke lief es nicht, wie ich es mir vorgenommen hatte», sagte sie. Das sei aber eigentlich sehr wichtig, «damit ich das Selbstvertrauen habe.» Und so kam sie wieder erst an, als die Entscheidung schon gefallen war. Am Samstag hatte sie Bronze im Sprint als Vierte um nur 7,9 Sekunden verpasst.
Franziska Preuß lief im Jagdrennen emotionslos als Fünfte über die Ziellinie. Wie Herrmann hatte auch die 26-Jährige aus Bayern auf eine Medaille gehofft, zwei Schießfehler verhinderten das. Vanessa Hinz wurde ohne Strafrunde starke Sechste und machte ein sehr ordentliches Mannschaftsergebnis perfekt. Ohne Edelmetall überwog beim Sieg der Norwegerin Tiril Eckhoff, die schon Gold im Sprint und mit der Mixed-Staffel geholt hatte, aber klar die Enttäuschung. Silber sicherte sich Lisa Theresa Hauser aus Österreich vor Anais Chevalier-Bouchet aus Frankreich.
Herrmann hatte als Sprint-Vierte eine sehr gute Ausgangsposition in ihrer Lieblingsdisziplin. 2019 war die 32-Jährige Weltmeisterin im Jagdrennen geworden, im Vorjahr hatte sie mit Silber ebenfalls voll überzeugen können. Bis vor dem letzten Schießen sah in Pokljuka alles nach dem nächsten Erfolgserlebnis aus. «Da habe ein bisschen die Nerven verloren», sagte sie.
Nun steht die Mannschaft des Deutschen Skiverbandes vor dem Einzel der Frauen am Dienstag (12.05 Uhr/ZDF und Eurosport) unter gehörigem Druck. Eigentlich sollte es in zwölf Entscheidungen auf der Pokljuka mindestens vier bis fünf Medaillen geben – nun bleiben in der zweiten Hälfte der Titelkämpfe gerade mal noch sieben Wettkämpfe, um dieses Ziel zu erreichen.
Bei den deutschen Männern ist nach dem schwächsten WM-Auftakt ihrer Geschichte viel Aufbauarbeit gefragt. Das historische Sprint-Debakel konnten sie in der Verfolgung nicht vergessen machen. Beim überlegenen Sieg des Franzosen Emilien Jacquelin lief Peiffer auf Platz 20, Benedikt Doll wurde 31. und Johannes Kühn 41. «Man braucht schon 90 Prozent Trefferleistung, um vorne mitzumischen. Deswegen hat das auch heute nicht funktioniert bei uns», sagte Peiffer, der als 36. ins Rennen gegangen war.
Während Jacquelin seinen Titel aus dem Vorjahr verteidigte, leistete sich das deutsche Trio 17 Fehler: Peiffer schoss vier Fahrkarten, Doll sechs und Kühn gar sieben. Zumindest mit einer Teilleistung konnten sie zufrieden sein: Doll war in der Loipe Zweitschnellster, Peiffer Sechster und Kühn Neunter. Silber sicherte der Schwede Sebastian Samuelsson vor dem Norweger Johannes Thingnes Bö.
Die Plätze 36, 39, 45 und 66 im Sprint – so schwach waren die Skijäger noch nie. Lesser hatte bei dem historischen Sprint-Debakel nicht mal die Qualifikation für das Jagdrennen geschafft. Nun gilt es im Einzel am Mittwoch (14.30 Uhr/ZDF und Eurosport) anzugreifen. «Gerade wir Athleten sind natürlich nicht bester Stimmung. Wenn du nicht lieferst, hast du schon Schuldgefühle dem Team gegenüber – das muss man abschütteln. Wir haben schon noch was vor», sagte Peiffer.