Halvor Egner Granerud jubelte in der Pose von Fußball-Star Erling Haaland. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Daniel Karmann/dpa)

Dominator Halvor Egner Granerud setzte sich in Yoga-Pose in den Kunstschnee von Garmisch-Partenkirchen, die deutschen Skisprung-Nebenfiguren hatten das Ende aller Titelträume bei der Vierschanzentournee bereits akzeptiert.

«Es ist beeindruckend, wie die anderen hier runtersegeln. Respekt und Gratulation an die anderen Springer», sagte Bundestrainer Stefan Horngacher.

Während der Norweger Granerud mit Traumflügen auf 140 und 142 Meter erst das prestigeträchtige Neujahrsspringen gewann und dann in Pose des Jubels von Fußball-Star Erling Haaland zelebrierte, mussten sich Olympiasieger Andreas Wellinger als Achter und Karl Geiger als Elfter mit angesichts der hohen deutschen Ziele durchwachsenen Platzierungen begnügen – und das Ziel erster Gesamtsieg seit 21 Jahren vorzeitig abhaken.

Tagessieger Granerud, der Slowene Anze Lanisek und Polens Gesamtführender Dawid Kubacki springen derzeit in einer eigenen Liga, das musste auch Horngacher eingestehen. «Es war im Vorfeld klar, dass es schwierig wird. Wir müssen in Ruhe weiterarbeiten. Wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen. Sie schweben hier runter wie nix. Wir werden auch irgendwann wieder schweben», versprach Horngacher. Geiger ließ nach seinem zweiten Sprung im Auslauf kurz die Schultern hängen und winkte pflichtschuldig ins trotzdem begeisterte Publikum mit 20.000 Fans. Er wusste: Das war es mit dem goldenen Adler.

Wellinger «in Summe sehr zufrieden»

Im anschließenden Interview wirkte der 29 Jahre alte Oberstdorfer gar nicht so enttäuscht, wie man erwarten konnte. «Das gehört dazu. Es ist ein elfter Platz, das ist in Ordnung. Damit kann ich auch zufrieden sein», sagte Geiger. Die Stimmung des Bundestrainers spiegelte das nicht unbedingt wider. In seiner Heimat Oberstdorf hatte Deutschlands Topspringer als Vierter noch Hoffnungen geweckt. Teamkollege Wellinger konnte seinem eigenen achten Platz einiges abgewinnen. «Ich bin in Summe sehr zufrieden. Beide Wettkampfsprünge waren ein Schritt nach vorne», sagte der Olympiasieger.

In der Tournee-Gesamtwertung liegen vor der zweiten Hälfte in Österreich schon mehr als 30 Meter zwischen Granerud und dem deutschen Duo. Auch an Lanisek und Kubacki scheint es derzeit kaum ein Vorbeikommen zu geben. «Das Niveau ist verdammt hoch. Was die drei da vorne machen, da muss man den Hut ziehen», gestand Wellinger ein. Stunden zuvor waren die Fans bei frühlingshaften Temperaturen und herrlichem Sonnenschein noch ins Stadion geströmt und hatten auf eine Skisprung-Party gehofft. Irgendwann war die Sonne verschwunden – und Deutschlands Tournee-Hoffnungen auch.

Geiger mit Problemen in der Anlaufspur

Über zwei Jahrzehnte nach dem bislang letzten deutschen Triumph durch Sven Hannawald dürfte das Warten auf den goldenen Adler wohl mindestens ein weiteres Jahr andauern. Geiger hatte sowohl in der Quali an Silvester als auch im Wettbewerb an Neujahr große Probleme in der Anlaufspur.

Die Laola lief trotzdem durch das ausverkaufte Stadion, nach zwei Jahren coronabedingter Zuschauer-Pause hatten einige Fans offensichtlich vieles nachzuholen. Vor dem dritten Springen am Mittwoch (13.30 Uhr/ARD und Eurosport) am Bergisel in Innsbruck dürfte es für das deutsche Team nun maximal noch um das Gesamtpodest gehen – wenn überhaupt. In den vergangenen Jahren platzten die Träume oft erst in Tirol und noch nicht beim Jahresstart auf der Großen Olympiaschanze.

Das Podium wird bei der extrem konstanten Konkurrenz um Granerud, Kubacki, Lanisek und den Polen Piotr Zyla zu einer schwierigen Aufgabe. Geiger und Wellinger liegen nicht nur extrem weit hinter Granerud, sondern haben auch auf das polnische Duo Kubacki und Piotr Zyla in beiden Springen Punkte verloren.

Eisenbichler will sich «Stabilität erarbeiten»

In vier der vergangenen fünf Jahre hatte es ein deutscher Athlet bei dem berühmten Wettbewerb am 1. Januar aufs Podest geschafft. Für einen solchen Erfolg herrschte bei den Experten diesmal nach dürftigen Weltcup-Wochen nur bedingt Zuversicht. «Die Chancen aufs Podium sind da. Sieg würde ich jetzt mal weglegen, aber die Chancen aufs Podium sind da», sagte Hannawald in seiner Funktion als TV-Experte vorsichtig. Nach dem Wettbewerb bot er Granerud bereits «den Schlüssel» zum exklusiven Club der Vierfachsieger an – in diesem sind neben dem Deutschen auch Kamil Stoch (Polen) und Ryoyu Kobayashi (Japan).

Anders als Wellinger und Geiger, die beim Großereignis zur erweiterten Weltspitze zählen, läuft es beim deutschen Rekord-Weltmeister Markus Eisenbichler weiter schlecht. Wie zum Start am Schattenberg gab es auch diesmal keine Punkte für «Eisei». «Es war schon ein bisschen schwieriger. Der Wind zieht von rechts nach links. Ich bin durchgesackt. Ich lasse mich da nicht herunterziehen, weil ich hier auch gute Sprünge gezeigt habe», sagte der 31-Jährige. Diesmal äußerte er aber keinerlei Absichten, die Tournee vorzeitig zu verlassen. Stattdessen wolle er in Innsbruck weiter machen und sich «Stabilität erarbeiten».

Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa

Von