Siegte in Spindlermühe: Lena Dürr. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Piermarco Tacca/AP/dpa)

Lena Dürr pustete kräftig durch und wischte sich die Freudentränen aus den Augen. Dann durfte sie erstmals spüren, wie es sich ganz oben auf einem Slalom-Podest anfühlt.

Mit ihrem bislang größten Erfolg im 190. Weltcuprennen erreichte Dürrs lange Reise in die Weltspitze den vorläufigen Höhepunkt. Nun darf die 31-Jährige sogar von WM-Gold träumen.

Eine Woche vor Beginn der Weltmeisterschaft bescherte Dürr dem Deutschen Skiverband den ersten Slalomsieg seit Maria Höfl-Rieschs Erfolg 2012. «Es hat eine Weile gedauert», sagte Dürr mit einer sympathischen Portion Selbstironie. Minutenlang saß die Technikerin nach ihrem Erfolg wie festgeklebt auf dem Sitz der Führenden und blickte in die Ferne. Mehr als «es ist doch einfach nicht zu glauben» brachte die Oberbayerin nicht raus. 

Shiffrin geknackt

Mit zwei großen Zielen war Dürr in die Saison gestartet: «Der erste Weltcupsieg und Shiffrin knacken». Ihren Erfolg im niedriger eingestuften City Event 2013 in Moskau wollte sie endlich toppen. Bei der WM-Generalprobe in Spindlermühle gelang ihr nun beides. 0,67 Sekunden hatte Dürr nach dem ersten Durchgang noch hinter der amerikanischen Ausnahmeathletin gelegen. Nach einer Zauberfahrt durch den Stangenwald holte die Olympia-Vierte mehr und mehr auf und lag letztendlich sechs Hundertstelsekunden vor Shiffrin.

Die Meisterin des Zickzack-Kurses verpasste am Sonntag hingegen ihren 86. Weltcupsieg und damit die legendäre Bestmarke des ehemaligen schwedischen Alpin-Stars Ingemar Stenmark. Grund zur Freude hatte die Überfliegerin trotzdem: Shiffrin sicherte sich mit ihrem zweiten Platz den vorzeitigen Sieg in der Disziplinenwertung. Der Großteil der Kameras war diesmal aber auf ihre deutsche Kontrahentin gerichtet. 

Als sich Dürr endlich aus den Armen ihrer jubelnden Teamkolleginnen befreit hatte, riss sie ihre Ski in die Luft. Ihr Urschrei schien sogar lauter als der Applaus der Tausenden Zuschauer. In Dürrs Skibrille spiegelte sich das tschechische Bergpanorama, in ihrem Gesicht der Stolz über den größten Erfolg ihrer Karriere. 

«Lena und Shiffrin sind zurzeit einfach zu besten Slalomfahrerinnen», sagte Frauen-Cheftrainer Andreas Puelacher. «Wir haben viel analysiert und Lena fährt mittlerweile mit viel mehr Selbstvertrauen. Vor allem im Steilhang.» Dennoch sei immer noch Luft nach oben: «Das letzte Hemd riskiert sie noch nicht», befand Puelacher. 

Vorbereitung zahlt sich aus

Die Saisonvorbereitung mit den Männern in Südamerika hat sich ausgezahlt. Das wurde schon bei Dürrs zweiten Platz am Vortag deutlich. Von Fahrten neben Teamkollege Alexander Schmid und Linus Straßer hatte sich die Slalom-Spezialistin eine Leistungssteigerung erhofft. Impulsiver aus dem Starthäuschen wollte sie die Pisten herunterpreschen – und Mut entwickeln, auch im zweiten Durchgang zu riskieren. Die Aggressivität von oben Weg demonstrierte Dürr in ihren insgesamt vier Slalomläufen am Wochenende eindrucksvoll.  

Dass sie einmal ganz oben steht, hätte Dürr vor wenigen Jahren wohl selbst kaum gedacht. Ihre Reise in die Weltspitze war beschwerlich. Mal ein Platz unter den Top 15, mal massiver Rückstand auf Shiffrin und Co. – die Quittung für die ernüchternden Leistungen kassierte Dürr vor über drei Jahren, als sie für sechs Monate ihren Kaderstatus verlor. Statt Servicemann und Kadertraining hieß es fortan: Ski selbst wachsen und eine eigene Trainingsgruppe suchen. «Das hat mich positiv geprägt», sagte Dürr einmal. 

15 Jahre nach ihrem Weltcupdebüt war es nun soweit. In Führung lag Dürr schon oft. Etwa beim Olympia-Drama in Peking oder beim Saisonauftakt in Levi. Am Ende spielten ihre Nerven nicht mit. Nach dem Befreiungsschlag scheint vieles möglich. Auch bei der WM in Frankreich.

Jordan Raza, dpa

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