Startet mit Deutschlands Skispringern in die neue Saison: Andreas Wellinger. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Daniel Karmann/dpa)

In Sachen Humor und Entertainment hat Andreas Wellinger keinen Deut nachgelassen. Noch bevor in einer Medienrunde die erste Frage gestellt wird, zieht der Skisprung-Olympiasieger die Mundwinkel nach oben und erzählt gewohnt launig drauf los.

«Ich bin der Neue im Team, ich wurde eingewiesen, dass ich mich vorstelle. Andi Wellinger mein Name, gefühlt 17 Jahre alt, körperlich wahrscheinlich 44», scherzte der Bayer, der tatsächlich 26 ist. «Aber ansonsten habe ich Spaß in der Mannschaft. Der Bundestrainer nimmt mich mit und animiert mich, ordentlich zu trainieren.»

«Ich habe jetzt richtig Bock»

Wellinger wirkt gelöst und bester Laune, mental scheint er für all die Aufgaben im kommenden Höhepunkt-Winter mit Tournee, Olympia und Skiflug-WM bestens präpariert. Der Kreuzbandriss 2019? Die ganz schwere Saison 2020/21, in der dem strauchelnden Skispringer nicht mal eine Teilnahme bei der Heim-WM vergönnt war? Scheint alles vergessen. «Ich habe jetzt richtig Bock. Ich habe zwei Jahre hinter mir, die nicht ganz so das Zuckerschlecken waren. Deswegen bin ich da umso mehr motiviert und freue mich auf das, was kommt.»

Was für Wellinger, einst Einzel-Olympiasieger und Mixed-Weltmeister, kommt, ist offener denn je. Denn seine größte Konkurrenz kommt derzeit nicht aus Polen, Österreich oder Japan, sondern aus dem eigenen Team. Hinter den unumstrittenen Teamkapitänen Karl Geiger und Markus Eisenbichler musste es das einstige Supertalent zunächst mal in den Kader schaffen, der von Bundestrainer Stefan Horngacher für den Auftakt in Nischni Tagil (Russland) nominiert wurde.

Das gelang. «Ich habe mich für die Weltcup-Mannschaft angeboten und von den Trainern auch das Vertrauen für den Start bekommen», sagte Wellinger. Im Vorjahr war der Goldgewinner von Pyeongchang nach dem Neujahrsspringen nur noch Reserve, mit Rückkehrer Stephan Leyhe wird sich die interne Konkurrenzsituation in diesem Winter noch einmal verschärfen. Zum Auftakt ist Wellinger schon mal dabei, ab jetzt werden für ihn Leistungen und Resultate zählen.

Kein Olympiasieger-Bonus

«Es ist immer die bessere Situation, wenn man viele gute Springer hat und alle fit sind. Der Anspruch im Training wird automatisch höher, ich selbst muss gar nicht viel dazu beitragen», analysierte Horngacher die Situation. Den Qualifikationsmodus nannte der 52 Jahre alte Tiroler «beinhart». Und dass er auf der Suche nach dem qualitativ stärksten Team keinen Olympiasieger-Bonus gewährt, hat Horngacher vergangene Saison deutlich gemacht. Wellinger sagte am Mittwoch, er sei «gesund, fit und hoch motiviert». Bei Instagram teilte er Videos, auf denen er mit Teamkollegen scherzt.

Viele Athleten haben in der hochsensiblen Sportart Skispringen ein Übergangsjahr nach einer schweren Knieverletzung gebraucht, manche wurden danach nie wieder so gut wie davor. Doch woran lag es bei Wellinger? Nach eigener Aussage hatte er nach der Genesung keine mentalen Probleme. Im Kopf sei er bei 100 Prozent. «Aber das war ich schon von dem Moment an, als ich von der Verletzung zurückgekommen bin», sagte er.

Stattdessen fehlte ihm nach eigener Aussage das nötige Gefühl. «Ich bin ein Roboter geworden, der zwar die Schanze runtergefahren ist und ein paar Hüpfer gemacht hat», sagte Wellinger. So funktioniere Skispringen aber nicht. Horngacher lobte die Fortschritte seines Schützlings in diesem Sommer: «Er ist auf einem guten Weg nach vorne und hatte heuer auch schon gute Ergebnisse. Ich bin guter Dinge, dass er wieder dabei ist, in die Weltspitze zu springen.» Im Februar in Peking am Start zu stehen, wenn es wieder um Olympia-Gold geht: Das wäre für Andreas Wellinger nach derzeitigem Maßstab schon ein Erfolg.

Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa

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