Völlig euphorisch tanzten die deutschen Skispringer einen wilden Pogo, der Stadionsprecher heizte die Volunteers an wie die im Normalfall 25.000 Fans in einem vollen Stadion:
Angeführt von Markus Eisenbichler und WM-Gigant Karl Geiger haben sich die Flugkünstler bei den Heim-Titelkämpfen erneut zu Team-Weltmeistern gekrönt. «Ich bin so stolz auf die Jungs», sagte Vorzeigespringer Geiger und freute sich auf den Abend: «Das werden wir heute richtig genießen.» Das von Severin Freund und Pius Paschke komplettierte deutsche Quartett trumpfte in Oberstdorf groß auf und verwies Österreich und Polen auf die Plätze zwei und drei.
«So ein Tag, so wunderschön wie heute», schallte es zur Feier des Tages aus Lautsprechern durch die coronabedingt fast komplett leere Arena am Schattenberg. Die freiwilligen Helfer auf der Tribüne klatschten begeistert im Takt. Ihr Lokalheld hatte es schon wieder geschafft.
«Es sind alle am Maximum gesprungen», lobte Bundestrainer Stefan Horngacher. Der Österreicher fand immer neue Worte für die außergewöhnliche Leistung seiner Sportler. «Extrem genial», sagte er und nur Sekunden später: «Ein Traum!»
Für Geiger war es im vierten Wettbewerb in seinem Sprung-Wohnzimmer die vierte Medaille – die zweite goldene. Im Einzel von der Normalschanze hatte der 28-Jährige Silber geholt, von der Großschanze Bronze und im Mixed-Team mit Eisenbichler, Katharina Althaus und Anna Rupprecht Gold.
Schon zur Halbzeit lag Titelverteidiger Deutschland in Führung. Von den Japanern auf Rang vier trennten die DSV-Adler aber nur etwa sieben Meter. Die Mannschaft war von Anfang an vorne dabei, weil in Startspringer Paschke und Routinier Freund auch die beiden Springer hinter den Topleuten lieferten.
Eisenbichler sprang im Vergleich zu den beiden Einzelwettbewerben, in denen er jeweils nur Rang 17 erreicht hatte, wie in einer anderen Liga. «Ich bin meiner Freundin dankbar, die hat mich gestern nochmal aufgebaut», sagte er. «Ich mag diese Teamwettkämpfe einfach. Wir reisen das ganze Jahr zusammen. Ich sehe meine Teamkollegen mehr als meine Freundin.»
Eisenbichler sprang im ersten Durchgang 135 Meter weit. Sein zweiter Versuch ging sogar auf sehr starke 138,5 Meter hinunter und ließ den 29-Jährigen das Stadion vor Freude zusammenbrüllen. Als Schlussspringer veredelte Geiger seine Traum-Titelkämpfe nervenstark mit Sätzen auf 133,5 und 136 Meter.
So viele Podestplätze wie der Allgäuer hatte seit Martin Schmitt 2001 kein deutscher Springer mehr bei einer Weltmeisterschaft eingeheimst. Geiger ist der prägende deutsche Sportler bei der Veranstaltung in den heimischen Bergen.
Der Bachelor of Engineering in Energie- und Umwelttechnik ließ sich in dieser Saison von zahlreichen verrückten Wendungen inklusive einer Corona-Infektion nicht aus dem Konzept bringen und war gerade bei den Saisonhöhepunkten stark. Im Dezember wurde er in Slowenien Skiflug-Weltmeister. Der einzige Weltcup-Sieg in diesem Winter gelang Geiger ausgerechnet bei der Vierschanzentournee in Oberstdorf, wo er nun auch die WM zu seinen Sprung-Festspielen machte.
Für Altmeister Freund war der Titel nach langer sportlicher Leidenszeit eine ganz besondere Genugtuung. «Man kann’s erahnen, was es mir bedeutet nach der ganzen Zeit», sagte er. «Es ist unglaublich, es ist absolut mega.»
Der von vielen Verletzungen gebeutelte 32-Jährige hatte im schwedischen Falun 2015 zweimal Gold und einmal Silber gewonnen und anschließend zwei Weltmeisterschaften verpasst. Nun durfte er bei seiner Rückkehr gleich wieder ganz oben auf dem Podest jubeln. «Er hat es grandios gelöst», lobte Horngacher. Für Spätstarter Paschke war es die erste WM-Medaille.
Nach dem Höhepunkt Heim-WM haben die Skispringer nun fast drei Wochen Wettkampfpause. Coronabedingt fällt die lukrative Raw-Air-Tour in Norwegen aus. Vom 25. bis zum 28. März findet der Saisonabschluss beim Skifliegen in Slowenien statt.