Nach der nächsten Medaillen-Party im Oberhofer Hexenkessel war Denise Herrmann-Wick mit Blick auf ihre potenziellen Nachfolgerinnen einfach nur glücklich. «Ich bin eine stolze Mama und überglücklich, dass es geklappt hat. Das ist fürs Team die wichtigste Medaille. Das ist einfach eine Medaille für ganz Biathlon-Deutschland», sagte Herrmann-Wick nach Staffel-Silber bei der Heim-WM in Oberhof.
Mit den drei WM-Debütantinnen Vanessa Voigt, Hanna Kebinger und Sophia Schneider – alle 25 Jahre alt – musste sich die 34-Jährige am Samstag im strömenden Regen vor 23.500 enthusiastischen Fans nur den Italienerinnen geschlagen geben. Dass die Sächsin, die von ihren jüngeren Kolleginnen wegen ihres Alters scherzhaft «Mama» genannt wird, im finalen Showdown gegen Lisa Vittozzi im Kampf um Gold das Nachsehen hatte, spielte am Ende keine Rolle. «Ein bisschen ist ein weinendes Auge dabei, aber wir feiern Silber wie eine Goldmedaille», sagte Frauen-Trainer Kristian Mehringer.
Staffel-Frust bei den Männern
Ganz anders war zuvor die Gefühlslage bei Justus Strelow, Johannes Kühn, Roman Rees und Benedikt Doll: Gleich fünf Strafrunden – drei von Kühn und zwei von Schlussläufer Doll – bei einer Windlotterie am Schießstand bedeuteten für das Quartett nur Platz fünf. Am Ende betrug der Rückstand in einem wilden Rennen mit vielen packenden Wendungen 3:51,8 Minuten auf Sieger Frankreich.
Während die Frauen die dritte Medaille am Rennsteig feierten – zuvor hatte Herrmann-Wick bereits Sprintgold und Verfolgungssilber geholt – warten die Männer vor den abschließenden Massenstarts am Sonntag weiter auf ihre erste.
Sturmwarnung für Thüringen
Lange war wegen einer Sturmwarnung mit angekündigten starken Böen und Windgeschwindigkeiten von bis zu 85 Kilometern pro Stunde unklar, ob die beiden Rennen überhaupt stattfinden. Erst am Morgen wurde entschieden, zu starten.
Beim Griff nach dem Titel zog Herrmann-Wick im direkten Duell gegen Vittozzi den Kürzeren, die damit die Überraschung für ihr Team perfekt machte. Das trübte aber die deutsche Freude nicht. «Ich habe damit gerechnet, dass sie schnell schießt und gemerkt, dass sie ordentlich durchgezogen hat. Mit zwei Fehlern und einer längeren Schießzeit habe ich innerlich etwas gezittert, aber ich konnte auf der Schlussrunde Gas geben und sie auch genießen», sagte Herrmann-Wick. Rang drei ging an Schweden.
Starke WM-Neulinge
Zuvor hatten die drei WM-Neulinge überzeugt. Voigt hatte auf den Strecken in ihrem Wohnort Oberhof zuvor eher mit Enttäuschungen zu kämpfen. Doch im Team rief sie ihre beste Leistung ab. «Im Team macht es umso mehr Spaß. Ich bin mit einem Lächeln aufgestanden und wusste, dass es unser Tag ist. Dass es mit Silber belohnt wurde, was wir uns die ganze Saison über schon erarbeitet haben, ist natürlich sau schön», sagte Voigt.
Kebinger, die zu Beginn der Saison noch im Deutschland-Pokal gestartet war und nur durch die krankheitsbedingte Absage von Franziska Preuß mit halber WM-Norm das Oberhof-Ticket löste, war ebenfalls stark. Während beim Stehendschießen Norwegen und Schweden drei beziehungsweise zwei Strafrunden drehen musste, räumte sie alles schnell ab.
«Ich habe einfach versucht, mich nicht wie beim Einzel ablenken zu lassen, sondern bei mir zu bleiben», sagte Kebinger. Schneider brauchte liegend eine sowie stehend zwei Extrapatronen – und während die Kontrahentinnen patzten, ging sie 16 Sekunden hinter Italien in die Loipe. Die Bayerin schickte unter den ohrenbetäubenden Anfeuerungsrufen der Fans Herrmann-Wick nur 5,6 Sekunden hinter Vittozzi los.
Herrmann-Wick und Vittozzi kamen zeitgleich zum ersten Schießen, das die Italienerin etwas schneller absolvierte und einige Sekunden rausholte. Auch beim Showdown war sie dann einen Tick schneller und abgezockter als Herrmann-Wick.
Männer-Staffel nur auf Rang fünf
Bei den Männern herrschte dagegen angesichts der schwierigen Bedingungen Frust pur. «Ich war eine halbe Minute zu spät am Schießstand. Beim ersten Schuss waren die Bedingungen noch beherrschbar, dann war es katastrophal», sagte Kühn. Bei seinem Stehendschießen herrschte so viel Wind, «dass man gar nicht schießen konnte. Ich habe es gar nicht versucht», sagte der 31-Jährige: «Es tut mir wahnsinnig leid, aber ich habe nicht mehr machen können.» Nur Silber ging an den zuvor seit über einem Jahr ungeschlagenen Olympiasieger aus Norwegen.
Hundert Prozent fair sei es nicht gewesen, sagte Doll: «Aber es war die richtige Entscheidung, das Rennen stattfinden zu lassen. Man muss da auch mal ein bisschen an die Zuschauer denken. Und es wäre eine Tragödie gewesen, wenn heute nichts gewesen wäre. In Östersund beim Weltcup dann die WM-Medaille auszulaufen, hätte auch keinen Spaß gemacht», sagte Doll.
Nach den medaillenlosen Enttäuschungen bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking und bei der WM 2021 in Pokljuka ging das Quartett beim dritten Großereignis nacheinander leer aus. Zuvor hatten die deutschen Männer in diesem Winter in allen vier Wettbewerben auf dem Podest gestanden.