Francesco Friedrich (r) mit Anschieber Thorsten Margis aus Deutschland in Aktion. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild)

Bei herrlichem Sonnenschein in Kanada genoss Ausnahmepilot Francesco Friedrich an den Lenkseilen seines Bobs den Geschwindigkeitsrausch und das Donnern der Kufen. Noch wenige Tage zuvor hatte er sich große Sorgen um seine geliebte Sportart gemacht und eine düstere Prognose gezeichnet.

«Es wird die Zeit kommen, wo kein Bob mehr fahren wird. Wahrscheinlich werden unsere Enkelkinder vom Bobsport nur noch aus den Geschichtsbüchern erfahren», sagte der zweimalige Doppel-Olympiasieger vor dem Weltcupstart ab Freitag auf der Hochgeschwindigkeitsbahn in Whistler in einem Interview der «Welt am Sonntag».

Friedrich möchte Rekordserien ausbauen

Der deutsche Fahnenträger bei den Winterspielen von Peking beklagte zudem die fehlende Reputation in der Gesellschaft, da es «keine soziale Absicherung für das Leben nach dem Sport» gäbe. Dennoch wolle der Bundespolizist die Mission drittes Olympia-Double 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo angehen. Auf dem Weg dahin möchte der 32-Jährige aus Pirna seine Rekordserien ausbauen. Im Fokus dabei ist die 100er-Schallmauer im Weltcup. Die Bestmarke des Biathleten Ole Einar Björndalen steht bei 95 Weltcup-Einzelsiegen (einer davon im Langlauf) – Rekordweltmeister Friedrich steht derzeit bei 66.

In die Karten spielen könnten ihm die Rücktritte seiner ärgsten Rivalen: Erst der WM-Zweite Benjamin Maier aus Österreich, dann der Olympia-Dritte im Viererbob, Justin Kripps aus Kanada. Zudem ist der starke EM-Dritte Rostislaw Gaitjukewitsch aus Russland vom Weltverband IBSF wegen des Angriffskriegs von Russland in der Ukraine nicht startberechtigt. «Sowie er an den Start darf, wird Gaitjukewitsch wieder voll da sein», sagte Cheftrainer René Spies, der international einen Umbruch sieht: «Die Jungen werden jetzt stark gemacht und sich entwickeln. 2026 werden sie da sein.»

Spies setzt zudem weiter auf den zweimaligen Olympia-Zweiten Johannes Lochner. «Er ist beruflich so aufgestellt, dass er nicht Bobfahren muss. Ich hoffe, dass er bis 2026 weitermacht, es bleibt aber seine persönliche Entscheidung», sagte Spies. Ursprünglich wollte der Berchtesgadener seine Karriere nach der WM in St. Moritz beenden.

Nach den außergewöhnlichen Erfolgen in Peking mit dem deutschen Dreifacherfolg im Zweierbob der Männer, dem Doppelsieg im Viererbob dank Lochner und dem Überraschungsgold von Laura Nolte sieht Spies nicht so skeptisch in die Zukunft. «Wir sind sicherlich eine Premium-Randsportart. Es gibt Sportarten, die viel weiter am Rand stehen. Wir haben zudem im Winter eine sehr gute Medienpräsenz», sagte Spies der Deutschen Presse-Agentur.

Spies sieht Bobsport vor Veränderungen

Um Nachwuchs mache er sich keine Sorgen. «Gerade im Herrenbereich haben wir enormen Zulauf, da sind wir sicherlich sehr, sehr gut aufgestellt», sagte der Winterberger. Auch wenn der Zufluss aus der Leichtathletik nicht mehr so enorm sei, kommen genug Interessenten zum Bob. Selbst Eintracht Frankfurt gründete jetzt eine Bobsparte im Verein.

Die düstere Zukunftsprognose von Friedrich wollte Spies nicht teilen, vielmehr fordert er ein Umdenken. «Was Franz sicher auch meinte, wir müssen uns da besser aufstellen, später ins Eis gehen, grüner werden, selber Strom erzeugen», sagte der Cheftrainer und betonte: «Auch ich will da Vorreiter sein, wir müssen nicht vor November Bobfahren.»

Der Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) hat schon reagiert. «Wir nehmen das Thema sehr ernst. Wir haben gemeinschaftlich mit den Bahnbetreibern einen Maßnahmenkatalog zur Energieeinsparung erarbeitet», sagte BSD-Vorstandschef Thomas Schwab. Themen wie Umrüstung auf LED-Technik, Fotovoltaik, Wasser und Windkraft sowie Kälteanlagen nur mit Minimalbetrieb spielen dabei eine große Rolle. Zudem will sich Schwab bei den Weltverbänden dafür einsetzen, dass die Wintersportsaison grundsätzlich drei bis vier Wochen später beginnt. Die Bahnbetreiber sollen sich weltweit auf einen Trainingsbeginn zum 1. November einigen.

Frank Kastner, dpa

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