In diesem Winter ist Andreas Wellinger zurück in der Weltspitze. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Czarek Sokolowski/AP)

Für den Gefühlsspringer und Action-Fan Andreas Wellinger ist Skifliegen genau das Richtige. Mit 100 km/h die Schanze herunterschießen, abspringen und dann weit über 200 Meter durch die Luft segeln: Das liebt der 28-Jährige – und grundsätzlich kann er es auch gut.

Umso erstaunlicher ist, dass Wellinger bisher bei fast allen Saisonhöhepunkten seiner Sportart schon aufs Podest gesprungen ist. Nur eine Einzel-Medaille bei der Skiflug-WM fehlt ihm noch. An diesem Wochenende soll sich das in Österreich ändern.

«Es ist das erste Mal in seinem Leben, dass er mit einer sehr guten Form zur Skiflug-WM geht. Deshalb hat er die größten Chancen, auch endlich hier eine Medaille zu machen», sagt Bundestrainer Stefan Horngacher der Deutschen Presse-Agentur. «Er ist kein Professor auf der Schanze. Er ist eher der Instinktspringer. Bei ihm muss es intuitiv laufen.»

Berühmte Mega-Schanze

Wellinger hat schon Olympiagold gewonnen, WM-Silber geholt. Vor nicht einmal drei Wochen wurde er Zweiter bei der Vierschanzentournee. Nun kommt Wellinger als großer deutscher Hoffnungsträger an die berühmte Mega-Schanze am Kulm. «Der Weg ist der richtige. Ich freue mich aufs Skifliegen», sagt er. «Man braucht vom ersten Moment das richtige Gefühl.»

Dass er das hat, dafür hat Wellinger in den vergangenen Monaten viel getan. Fast wie eine Maschine ruft er Sprung um Sprung Spitzenleistungen ab. Nur einmal landete er in dieser Saison bisher nicht unter den besten fünf Skispringern eines Weltcups. Das gegen den Japaner Ryoyu Kobayashi verlorene Duell um den Tournee-Titel ärgerte Wellinger zwar, aus dem Konzept brachte es ihn nicht.

«Er hat eine extreme Klarheit in seinem Handeln. Das ist ein sehr solides Fundament», sagt der frühere Bundestrainer Werner Schuster. «Er ist definitiv ein Kandidat für eine Medaille am Kulm.»

Wellingers bewegte Story

Schuster kennt Wellinger sehr gut, betreute ihn in den Anfangsjahren seiner Springer-Laufbahn. «Er hat eine bewegte Story hinter sich», sagt der 54-Jährige mit Blick auf Wellingers Kreuzbandriss 2019 und folgende sportliche Rückschläge. Die schweren Zeiten scheinen den Bayer aber nur stärker gemacht zu haben. «Das ist wie eine zweite Karriere nach der langen Pause», sagt Schuster. «Er kann das als erwachsener Mann anders mitnehmen und hat wieder richtig Feuer in sich.»

Feuer und Leidenschaft hat Wellinger nicht nur für das Skispringen. Der Ruhpoldinger interessiert sich auch für andere Sportarten, lässt sich von großen Karrieren inspirieren. In seiner Freizeit schnappt er sich auch mal das Surfbrett und springt dick eingepackt in Neopren ins Wasser. Wellinger tritt neben der Schanze meist locker und gut gelaunt auf. Den sportlichen Leistungsdruck auszublenden, scheint ihm besser zu gelingen als vielen Konkurrenten.

Wenn an diesem Freitag (14 Uhr/ZDF) in Bad Mitterndorf das große Flugspektakel mit Sätzen auf über 230 Meter beginnt, ist Wellinger der einzige deutsche Medaillenkandidat. Karl Geiger und Pius Paschke, die in diesem Winter auch schon Siege feierten, haben ihre Topform verloren.

Mit seiner einnehmenden Art und viel guter Laune kann Wellinger seinen Kollegen helfen. «Der Andi leistet seinen Beitrag auch dadurch, dass er mal einen Spaß reinbringt in die Mannschaft», sagt Horngacher, der das Teamgefüge lobt. Zudem hofft der Coach, dass die Faszination Skifliegen zusätzliche Kräfte freisetzt.

«Skifliegen ist einfach alles mal zwei. Es ist die Königsdisziplin des Skispringens», sagt er. «Das ist einfach das Größte. Darauf müssen wir uns jetzt freuen, mit Lockerheit hingehen und einfach die Sprünge rausdübeln und gut fliegen.»

Von Thomas Eßer und Patrick Reichardt, dpa

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