Ganz neu sind die Nachwuchssorgen der deutschen Biathleten nicht, der Rücktritt von Olympiasieger Arnd Peiffer hat sie ein Jahr vor den Winterspielen in Peking aber weiter verschärft.
«Wir haben da Arbeit vor uns», sagte Sportdirektor Bernd Eisenbichler vom Deutschen Skiverband schon mehrfach und machte klar: «Das löst du nicht von heute auf morgen.» An herausragenden Talenten mangelt es, der große «Überflieger» sei in Deutschland nicht in Sicht, sagte er.
Und so gibt es beim letzten Weltcup der Saison vom 19. März an in Östersund/Schweden einen Blick in die Zukunft. Der fünfmalige Weltmeister Peiffer wird das Geschehen dann schon vom heimischen Sofa verfolgen. Zwei Tage vor seinem 34. Geburtstag verkündete der Niedersachse sein Karriereende und ist bereits der zweite aus einer goldenen Generation. Auch Simon Schempp (32) trat zurück, allerdings nach vielen Verletzungen. Erik Lesser (32) und Benedikt Doll (30) werden bei Olympia in China 2022 wohl noch dabei sein. Nach der Heim-WM 2023 in Oberhof dürften auch sie sich zurückziehen. Doch wie geht es dann weiter?
«Wir arbeiten daran, dass wir nach 2023 konkurrenzfähig bleiben. Es wird einen Umbruch geben», sagte Eisenbichler in der Vorwoche im ZDF und formulierte ein klares Ziel: «Wir müssen eine eigene deutsche Handschrift entwickeln.» Dafür habe man eine Strategie erarbeitet, die Verpflichtung von Engelbert Sklorz als Schießtrainer für alle Kaderathleten im vergangenen Jahr war eine Maßnahme. «Wir versuchen unsere Philosophie in die Stützpunkte zu tragen und dort zu leben, um die Athleten in eine Richtung zu entwickeln», sagte der Sportchef.
Es gehe darum, sich mehr zu vernetzen und systematischer zu arbeiten. «Dann ist mir nicht bange für die Zukunft», sagte Eisenbichler. In die zweite Garde werde künftig noch konsequenter investiert. «Mehr Lehrgänge, mehr Reibungspunkte, mehr Präsenzphasen an den Stützpunkten», sagte Eisenbichler. Das Problem: Seit Jahren bekamen Peiffer und Co. keinen Druck des von unten drängenden Nachwuchses, ihre Plätze hatten sie bei Bundestrainer Mark Kirchner meist recht sicher.
Es ist längst Realität, dass Norwegen und Frankreich, aber auch Schweden mit dem jungen deutschen Cheftrainer Johannes Lukas (27) an den DSV-Skijägern vorbeigezogen sind. Der 24-jährige Sturla Holm Laegreid aus Norwegen wurde in Pokljuka gerade viermal Weltmeister, der Franzose Emilien Jacquelin (25) sammelte bei den vergangenen beiden Weltmeisterschaften sechs Medaillen. Kein Deutscher in diesem Alter ist derzeit in der Lage, ganz vorne in der Spitze mitzumischen. Peiffer holte die einzige Männer-Medaille in Slowenien, die Staffel landete auf dem desaströsen siebten Platz, weitab von Edelmetall.
Verblieben sind die Ex-Weltmeister Doll und Lesser. Hoffnungen ruhen nun noch auf Philipp Horn (26) und Philipp Nawrath (28) sowie Johannes Kühn (29), die aber bislang zu schwankende Vorstellungen zeigten. «Sie sind nicht mehr 21, aber werden Leistungsträger sein», sagte Eisenbichler. Neben ihnen und Roman Rees treten in Schweden erstmals Justus Strelow (24) und David Zobel (24) im Weltcup an. Danilo Riethmüller (21) oder Philipp Lipowitz (21), der gerade Einzel-Weltmeister bei den Junioren wurde, könnten bald folgen.
«Wir müssen Talente sehr gut und sauber entwickeln, wir dürfen uns da keine Fehler erlauben», sagte Eisenbichler. Um das zu schaffen, hofft der Verband auch auf die Unterstützung von Peiffer. Er wäre «eine Bereicherung für den deutschen Biathlonsport», sagte Vorstand Karin Orgeldinger vom DSV, die sich wünscht, dass der Harzer «uns auch in Zukunft mit seiner Erfahrung und Expertise in irgendeiner Art und Weise zur Verfügung steht». Schon in Östersund wird er schmerzlich vermisst werden. «Er war fürs Team auch leistungsmäßig eine große Stütze, hat manchen Ärger aufgefangen und mit sehr viel Intelligenz im Team geglänzt», sagte Peiffers langjähriger Zimmerkollege Lesser.