Als die Corona-Pandemie im März über die Welt hereinbrach, konnte der Wintersport dank des zeitlichen Puffers noch auf eine Rückkehr zur Normalität in der nächsten Saison hoffen. All diese Hoffnungen haben sich inzwischen zerschlagen.
Schon Anfang Oktober sind sportartenübergreifend zahlreiche Wettbewerbe abgesagt oder an andere Orte verlegt, an die bekannten Wintersportfeste vor bis zu 50.000 Zuschauern beim berühmten Hahnenkammrennen von Kitzbühel oder 25.000 Fans bei der Skisprung-Vierschanzentournee wird in diesem Winter nicht ansatzweise zu denken sein.
Doch jubelnde Zuschauermassen sind derzeit nicht die größte Sorge der Sportler. Angesichts der Absage-Flut, die Corona dem Sommersport beschert hat, hoffen sie zunächst einmal, planmäßig die Wettkämpfe aufnehmen zu können. «Man versucht nicht über den schlimmsten Fall nachzudenken, dass eine ganze Saison ausfällt. Wir hoffen, dass unsere Wettkämpfe normal stattfinden können», sagte die Biathletin Denise Herrmann. Kombinierer Johannes Rydzek sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Athleten seien für «Kompromisse jeglicher Art bereit, weil es ist unsere Lebensgrundlage».
Der Biathlon-Sport beweist eindrucksvoll, wie die neue Normalität in Corona-Zeiten aussehen könnte. Die Stationen in Östersund und Annecy sind gestrichen, stattdessen werden die ersten 22 Rennen in Finnland (Kontiolahti) und Österreich (Hochfilzen) ausgetragen, um unnötige Ortswechsel zu vermeiden. IBU-Präsident Olle Dahlin sprach von ganz neuen Herausforderungen und sagte: «Obwohl es enttäuschend ist, müssen wir akzeptieren, dass die Änderungen an unseren ursprünglichen Plänen absolut notwendig sind.» Auch anderen Sportarten könnte ein System der Abschottung drohen, das an das Champions-League-Turnier in Lissabon oder die Beendigung der NBA-Saison in Florida erinnert.
Für Großveranstaltungen wie die Tournee oder die Weltmeisterschaften der Biathleten, Nordischen und Alpinen dürfte vor allem das Zuschauerthema wichtig werden. Nach derzeitigem Stand sollen in Oberstdorf 2500 Fans zum Tournee-Auftakt zugelassen werden, etwas mehr Zeit wäre bis zur Nordischen Ski-WM (ab 23. Februar 2021), die ebenfalls in Oberstdorf stattfindet. Cortina d’Ampezzo plant für die Alpine Ski-WM derzeit mit etwa 5000 Fans pro Tag, was über die Gesamtdauer 50.000 bis 60.000 Zuschauer bedeuten könnte.
Wie schnell solche Pläne durchkreuzt werden können, zeigt der nahende Ski-Auftakt in Sölden. Im Risikogebiet Tirol sind überhaupt keine Zuschauer zugelassen, stattdessen soll es vor Ort vier Personenkreise geben, die in sich geschlossen bleiben: Rennläufer und Betreuer, Organisation, Medien und eine geringe Anzahl geladener Gäste. Das sonst übliche Party- und Rahmenprogramm soll ausfallen, hieß es. Gleiches dürfte in diesem Winter unisono für weitere Party-Weltcups in sämtlichen Sportarten gelten. Bei den Alpinen sind auch bereits die Nordamerika-Stationen Ende November abgesagt.
Schwer trifft es auch die Sportarten im Eiskanal und auf den Eisbahnen, bei denen die Weltverbände schon zeitig massiv in den Kalender eingreifen mussten. Die Bob- und Skeleton-WM wurde zeitig von Lake Placid in den USA nach Altenberg verlegt, die Rennrodel-WM findet wegen der Pandemie am Königssee statt auf der kanadischen Olympia-Bahn in Whistler statt. Weitere Anpassungen dürften angesichts der dynamischen Lage sportartenübergreifend folgen.
Eiskunstläufern, Eisschnellläufern und Shorttrackern droht derweil weitgehend Beschäftigungslosigkeit bis Weihnachten. Der Weltverband ISU hat am Mittwoch die wichtigsten internationalen Wettbewerbe in allen drei Sportarten abgesagt. Darunter fallen auch das für Dezember geplante Grand-Prix-Finale der Eiskunstläufer und die Weltcups der Shorttracker in Südkorea und China. Die ISU will nun in Absprache mit den Beteiligten eine Neuplanung der olympischen Test-Veranstaltungen in China vornehmen. Sie soll zu einem späteren Zeitpunkt mitgeteilt werden. Zuvor waren schon vier Eisschnelllauf-Weltcups im November und Dezember abgesagt worden.