Aufgeben ist für Paul Fentz keine Option gewesen, obwohl seine Absicherung und Förderung als Spitzensportler auf null gesunken ist.
«Einem wird immer wieder ins Kreuz getreten», sagte der 29-jährige deutsche Eiskunstlauf-Meister, der sich gegen allen Widrigkeiten für die Europameisterschaften in Tallinn qualifiziert hat. «Ich lasse mich nicht unterkriegen», sagte der Berliner. Zusammen mit dem zehn Jahre jüngeren Nikita Starostin aus Dortmund beginnt für ihn am Mittwoch (10.50 Uhr) in Estland die EM.
Den Geldhahn hat man Fentz komplett abgedreht. Im Oktober wurden ihm die Kaderförderung und zudem die Sporthilfe-Unterstützung gestrichen, woraufhin er sich arbeitslos gemeldet hat. Vor zwei Jahren hatte der EM-Achte von 2020 bereits seine Stelle als Sportsoldat verloren.
«Noch nicht alles ausgereizt»
Als er vor Weihnachten zum vierten Mal den nationalen Titel gewann und damit seinen EM-Start sicherte, kündigte er all dem zum Trotz an, auch nächstes Jahr die Schlittschuhe schnüren zu wollen. «Mich wird man erst los, wenn man mir eine einstweilige Verfügung in den Eishallen zustellt», erklärte Fentz. Alle Ratschläge, seine Karriere doch zu beenden, wies er resolut zurück.
«Ich habe noch nicht alles ausgereizt und noch nicht alle Erfolge eingefahren», meinte er selbstbewusst. «Der Gedanke daran aufzuhören, bereitet mir schlaflose Nächte. Meine Motivation ist so wie mit 14 beim Deutschland-Pokal.» Bei aller Passion für die Eiskunst ist Fentz realistisch, was seine sportlichen Ziele und eine mögliche Verbesserung des achten EM-Ranges betrifft. «Ich kann nicht weniger, aber zu meinem Bedauern auch nicht mehr», bekennt er ehrlich.
Die Deutsche Eislauf-Union will ihn auch beim Teamwettbewerb der Olympischen Winterspiele in Peking einsetzen, obwohl Fentz als Einzelläufer kein Ticket nach China buchen konnte. «Aus sportlicher Sicht ist am Ende des Tages das Ergebnis entscheidend», erklärte DEU-Sportdirektorin Claudia Pfeifer. Und da habe er «trotz mehrerer Unzulänglichkeiten» und der verpatzten Olympia-Qualifikation gezeigt, in der Lage zu sein, «Ergebnisse zu liefern».
EM als Generalprobe
Hoffnungsträger der DEU bei der EM sind die Paarläufer Minerva Hase/Nolan Seegert. Das Berliner Duo war als Fünfte 2019 schon recht nahe an eine EM-Medaille herangelaufen. «Schön wäre, wenn sie den fünften Platz wiederholen könnten», sagte Pfeifer, die sich mit einer Medaillenprognose aber angesichts mächtiger Rivalen zurückhält: «Die russische Konkurrenz mit ihren drei Paaren ist ein dickes Brett.» Die Kufen-Großmacht holte vor zwei Jahren Gold, Silber und Bronze.
Eine bessere Figur als vor zwei Jahren möchte die sechsmalige deutsche Meisterin Nicole Schott (25) aus Essen machen, die vor zwei Jahren nur auf dem 13. Platz landete. «Ich würde mir eine Steigerung ihrer Platzierung und Leistung im Vergleich zur letzten EM wünschen», sagte Pfeifer. Ideal wäre das Erreichen einer Top-Ten-Platzierung, um für das nächste Jahr einen zweiten Startplatz für die DEU zu sichern. Dies gilt auch als Ziel der Dortmunder Eistänzer Katharina Müller/Tim Dieck, die 2019 ebenfalls Rang 13 erreichten.
Für die deutschen Eiskunstläufer ist die EM die Generalprobe für die Winterspiele vom 4. bis 20. Februar in Peking. «Wenn alle gesund bleiben, bin ich zuversichtlich, dass wir bei der EM einen guten Vorgeschmack bekommen», meine Sportchefin Pfeifer.