Bester in der Qualifikation zur Skiflug-WM in Planica: Markus Eisenbichler. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Darko Bandic/AP/dpa)

In Zeiten der Krise wurde Markus Eisenbichler nicht verrückt, sondern kreativ. Als im Frühjahr Läden und Grenzen schließen und alle Veranstaltungen erst einmal abgesagt werden mussten, besinnt sich der Ur-Bayer aus dem kleinen Örtchen Siegsdorf einfach auf sich selbst.

Eisenbichler baut sich ein kleines Ecksofa und einen Holztisch. Mit Blick auf das herrliche Alpenpanorama im Chiemgau genießt er auf seinem Balkon die plötzliche Ruhe, die Corona mit sich bringt. Doch lange hält es der lebensfrohe Skispringer nicht ohne sportliche Aktivität aus, ihn treibt es in die Natur.

«Ich habe schon im Frühjahr wieder Bock aufs Training gehabt. Es war harte Arbeit, aber auch schöne Arbeit. Ich weiß auch, wie es laufen kann, wenn es nicht so gut geht», beschreibt «Eisei» seine Schichten. Statt Wettkämpfen und ständiger Reiserei im Sommer-Grand-Prix hatte Eisenbichler plötzlich monatelang Zeit für sich. Radfahren, Bergsteigen, Campen und ganz viel Training: Der 29-Jährige nutzt die Freiheiten, schüttelt alle körperlichen Wehwehchen ab und bekommt nach einem schweren Skisprung-Winter als Dreifach-Weltmeister den Kopf frei.

Den Lohn für die harte Arbeit gibt es jetzt. Eisenbichler ist nach starker Sommervorbereitung samt deutschem Meistertitel seit Wochen der mit Abstand beste deutsche Adler. Er geht auch in die Skiflug-WM in Planica am Freitag (16.00 Uhr/ZDF und Eurosport) als einer der ganz großen Favoriten. Dies untermauerte er bereits bei der Qualifikation, als er 225,5 Meter weit flog und die Vorausscheidung gewann. «Yes», rief Eisenbichler in die Kamera, nach seinem Flug hatte er zuvor selbstbewusst die Faust gezeigt.

Bundestrainer Stefan Horngacher begründet die plötzliche Leistungsexplosion seines Top-Adlers so: «Er hatte letztes Jahr diesen Weltmeister-Rucksack aufgehabt. Dieses Jahr hat er den Rucksack weg. Er hat sich gut vorbereitet.»

Angesprochen auf seine Konkurrenz, die es im eigenen Team in Karl Geiger und vor allen bei den derzeit starken Norwegern um Gelb-Träger Halvor Egner Granerud gibt, antwortete Eisenbichler jüngst frech: «Der stärkste Konkurrent bin ich selbst.» Blickt man auf seine Karriere zurück, trifft genau das zu.

Der begnadete Flieger hat Höhen und Tiefen erlebt wie kaum ein anderer Athlet. Auf einen schweren Sturz mit Brustwirbelbruch und die große Olympia-Enttäuschung, als vier andere deutsche Springer in Südkorea Silber abräumten und Eisenbichler zuschauen musste, folgten die Festspiele von Seefeld. Leichtgewicht Eisenbichler deklassierte plötzlich die Konkurrenz und holte dreimal Gold. «Ich kenne kein so ein Stehaufmännchen wie ihn. Er hat so viele Niederlagen in seinem Leben eingesteckt», beschrieb sein Ex-Trainer Werner Schuster einmal voller Bewunderung.

Manche Eisenbichler-Sätze sind außerhalb Bayerns nur mit großer Mühe zu verstehen, den Trend zum offenen Dialekt hat er in den vergangenen Jahren eher noch verstärkt. «Eisei», der einst das martialische Schanzen-Motto «Sieg oder Sarg» ausgab, ist ein unverwechselbares Original und kommt immer besser mit den Kameras und dem Druck klar. «Zwoata is a geil», brüllte er neulich laut ins TV-Bild, als es nicht ganz zum Sieg gereicht hatte.

Er sei zu dem Schluss gekommen, dass er eigentlich glücklich sein müsse. «Man muss sich immer vor Augen halten: Man hupft mit die Weltbesten umeinand», berichtet der Bayer. Dank seines Top-Starts mit schon zwei Einzelsiegen sind Leichtigkeit, gute Laune und souveräne Auftritte in diesem Winter zu Markenzeichen geworden. Das war nicht immer so.

Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa

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