In Kurve acht muss alles passen. Dort steht der Hackl Schorsch, die deutsche Rennrodel-Legende. Er weiß, was bei den Weltmeisterschaften in Oberhof wichtig ist: Höhe aufnehmen, rund rausfahren, Lenkeinsatz schneller einleiten. Ein Schlitten nach dem anderen rattert durch die Eisrinne, Hackl hat sie alle im Blick.
Es piepst und rauscht. «Schorsch?», fragt einer über Funk. Dann sagt Hackl seine Meinung, erklärt präzise, woher der Schlag auf den Schlitten in der Kurve rührt, korrigiert mit viel Wärme in der Stimme. Um ihn aber ist es vor dem Saisonhöhepunkt ein wenig frostig geworden.
Georg Hackl, gebürtig aus Berchtesgaden, funkt seit dieser Saison eben nicht mehr auf dem deutschen Kanal. Der Techniktrainer ist erstmals bei einem Großereignis für den österreichischen Verband dabei. Ein Verband, von dem der frühere Hackl-Rivale und jetzige Präsident Markus Prock sagt: «Unser großes Ziel ist, 2026 die erfolgreichste Nation zu sein bei Olympia.» Mit Hilfe Hackls, dessen Vertrag just bis 2026 läuft.
Österreich lockte mit gutem Angebot
Ausgerechnet Hackl, Inbegriff des Rodelns in Deutschland, hat also nach endlos vielen Triumphen als Aktiver und 16 Jahren erfolgreicher Trainerarbeit die Seiten gewechselt. Kruzifix! Findet das deutsche Lager, finden die Fans. Und wie es so weit kommen konnte, das fragen sie sich auch.
«Es wurde natürlich versucht, mich zu halten», erklärt Hackl. «Dann war das Angebot aber so attraktiv und ich war schon so weit, dass ich gesagt habe: Ich möchte einmal im Leben etwas anderes machen.» Am österreichischen Material tüfteln nämlich, es vergolden. «Große Dinge im System zu ändern – das ist ein Prozess von mehreren Jahren», sagt der dreimalige Olympiasieger.
Prock glaubt an den Erfolg des Projekts. «Sein Know-how, sein Wissen, das ist unumstritten», meint der Verbandspräsident. Und zugegeben: Aus Marketing-Gründen habe er Hackl auch holen wollen. Für den österreichischen Rodelsport sei das «schon sehr interessant», genauso für potenzielle Sponsoren.
Und für Hackl? Mehr Gehalt, mehr Freiheiten, bessere Stimmung. Heißt es. Man hört auch andere Meinungen. «Er hatte auch bei uns viele Freiheiten, ich glaube, daran hat es nicht gelegen. Bei uns im Team war er unumstritten», sagt Felix Loch, der eng mit Hackl zusammenarbeitete und in dieser Zeit 13 WM-Titel holte. «Der Schorsch kennt mich von klein auf», sagt Loch, «auch mich hat er nicht in seine Entscheidung miteinbezogen.»
Eitberger: «Nicht der Nabel der Welt»
Die Personalie hat im deutschen Verband ein paar Wunden verursacht, die zur WM noch mal aufreißen. Dabei schien es lange so, als könne Hackls Ex-Team das Thema beiseiteschieben wie einen Haufen Altschnee. «Wir haben relativ schnell den Hebel umgelegt, haben gesagt, dass es auch anders weitergehen muss. Und genau so ist es», sagte Felix Loch der Deutschen Presse-Agentur. Solche Sätze fielen zuhauf. «Der Schorsch» sei wichtig gewesen, «aber auch nicht der Nabel der Welt», meinte WM-Favoritin Dajana Eitberger.
Auch Hackl beschwichtigt. «Wenn die Österreicher mich nicht vehement angefragt hätten, dann hätte ich in Deutschland weitergemacht. Es ist nichts vorgefallen.» Vielleicht erklärt auch das die Enttäuschung im deutschen Lager, die in den Tagen von Oberhof zu greifen ist; bei Ehrenamtlichen an der Strecke, bei den Verantwortlichen.
Hackls sportliche Expertise samt Insiderwissen steckt jetzt nun mal im Nachbarland. Bundestrainer Norbert Loch erklärte am Dienstag trotzig: «Hackl hat das Rodeln nicht erfunden.» Von «jetzt erst recht» sprach Loch, von einem Wechsel, der ihn motiviert habe. Es klang ein wenig nach verletztem Stolz. «Mein Vater hat ihm oft den Rücken frei gehalten, vielleicht ist er deshalb etwas enttäuscht über den Abgang», erklärt Felix Loch. Man wolle aber nicht nachtreten, «dafür war die gemeinsame Zeit zu schön».
Umplanung auch im Trainer-Team
So schön, dass der Bundestrainer bereits Planungen Richtung Olympia 2026 angestoßen hatte – natürlich mit Hackl im Trainerteam. «Wir hatten uns eigentlich noch mal über ein paar schöne, gemeinsame Jahre bis Olympia gefreut», sagt Felix Loch. Bis der Hackl-Hammer fiel, wie aus dem Nichts.
Personell wurde umgeplant. Christian Thurner, der eigentlich von der Erfahrung des Lehrmeisters profitieren sollte, muss nun Verantwortung als Techniktrainer übernehmen. Der habe, wie Norbert Loch meint, zwar auch «goldene Hände», ist aber ein Quereinsteiger, der nie die Bahnen hinabsauste, wie Hackl es tat. «Ich verstehe Norbert, wenn er da pikiert ist. Aber das ist mein Leben und ich habe nur das eine. Punkt. Aus», sagt Hackl.
Nachkarten mag auch er nicht. Eigentlich. Hackl hat das Rodeln nicht erfunden? Er lächelt. «Tatsächlich habe ich im Lauf meiner Karriere im Rodelsport einige Dinge erfunden, die entweder durch eine Änderung im Reglement eingedämmt wurden oder die heute noch in allen Nationen Anwendung finden. Norbert müsste das wissen, aber scheinbar ist er von der Technik zu weit weg», sagt Hackl. «Solche Macho-Sprüche sind eines der wenigen Dinge, die ich in Deutschland gerne hinter mir lasse.»