Entgegen der zahlreichen Sanktionen in der internationalen Sportwelt nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine dürfen Sportler aus Russland und Belarus an den am Freitag beginnenden Winter-Paralympics in Peking teilnehmen.
Athleten beider Länder werden nach einem Beschluss des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) als neutrale Athleten dabei sein.
Doch mit seiner Entscheidung vom Mittwoch stößt das IPC auf deutliche Kritik und bis hin zu Unverständnis. Vor allem der Deutsche Behindertensportverband (DBS) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) reagierten ungewohnt heftig.
«Das ist enttäuschend und mutlos»
«Das ist enttäuschend und mutlos. Angesichts der täglichen Kriegsgräuel in der Ukraine hätten wir einen solchen Beschluss nicht für möglich gehalten», sagte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher in einer Mitteilung.
Dass die russischen und belarussischen Sportler unter der paralympischen Flagge antreten und nicht in den Medaillenspiegel aufgenommen werden, mindert die Schärfe der Kritik nicht. «Eine auf Umbenennung in vermeintlich „Neutrale“ basierende Teilnahme unterläuft Absicht und Ziel der Sanktionen, dem eklatanten Bruch des Völkerrechts mit weltweit sichtbaren Zeichen zu begegnen», meinte DOSB-Präsident Thomas Weikert.
Der Beschluss sende ein «völlig falsches Signal», meine DBS-Chef Beucher. In einer solchen Situation brauche es moralische und politische Entscheidungen, keine juristischen. «Ich kann und will mir noch immer nicht vorstellen, dass russische und ukrainische Athletinnen und Athleten am Freitag bei der Eröffnungsfeier ins Stadion einziehen und sich ab Samstag in sportlichen Wettkämpfen messen.»
Kritik auch von Quade
Ähnlich äußerte sich der Chef de Mission Karl Quade. Für ihn sei es nicht nachvollziehbar, «dass das IPC eine völlig andere Entscheidung trifft, als der absolute Großteil der Sportwelt», sagte er. Seit der Gründung des IPC 1989 sei er Mitglied der paralympischen Bewegung, «doch für diese Entscheidung schäme ich mich zutiefst». Viele nationale Komitees hätten totales Unverständnis für diese Entscheidung gezeigt.
Das IPC wollte offensichtlich Russland und dessen Verbündeten Belarus bestrafen, aber nicht die Sportler aus diesen Ländern darunter leiden lassen. «Im Gegensatz zu ihren jeweiligen Regierungen sind diese paralympischen Athleten und Funktionäre nicht die Aggressoren. Sie sind hier, um wie alle anderen an einem Sportereignis teilzunehmen», sagte IPC-Präsident Andrew Parsons. Bis auf Weiteres wird das IPC aber auch keine Veranstaltungen in Russland oder Belarus durchführen.
Die Exekutive sei sich «einig, dass die Verletzung des Waffenstillstands nicht ungestraft bleiben konnte». Die olympische Waffenstillstandsresolution, die von 193 Mitgliedstaaten der UN-Generalversammlung unterzeichnet wurde, fordert die Einhaltung des Waffenstillstands von sieben Tagen vor Beginn der Olympischen Winterspiele am 4. Februar bis sieben Tage nach Ende der Paralympischen Winterspiele am 21. März.
Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und weiteren Politikern und Funktionären wurden paralympische Orden und weitere Ehrungen aberkannt. Die Paralympics in China werden am Freitag in Peking eröffnet und dauern bis zum 13. März
Parsons verteidigt Entscheidung
«Wofür wir uns entschieden haben, ist die härteste Bestrafung, die wir im Rahmen unserer Verfassung und der aktuellen IPC-Regeln verhängen können», sagte Parsons. Nach den Spielen werde man «mit unseren 206 Mitgliedsorganisationen herausfinden, ob Verstöße gegen den Olympischen Waffenstillstand für zukünftige Paralympische Spiele zur möglichen Suspendierung oder dem Ausschluss führen können». Dabei sollen die Mitglieder auch entscheiden, «ob wir die Mitgliedschaft des Nationalen Paralympischen Komitees von Russland oder Belarus aussetzen oder beenden».
Kritik kam auch aus dem Bundestag. «Ich finde die Entscheidung des IPC völlig unverständlich, und sie sendet ein falsches Zeichen», sagte Sabine Poschmann, sportpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. «Die einzig angemessene Reaktion auf den durch Belarus unterstützten russischen Angriffskrieg wäre der komplette Ausschluss der russischen und belarussischen Athletinnen und Athleten gewesen. So verpasst es das IPC, eine klare Haltung zu zeigen. Diese halbherzige Entscheidung schadet dem Sport», meinte Poschmann.
Zuvor hatten unter anderem das Internationale Olympische Komitee (IOC), Athleten aus der Ukraine in einem offenen Brief an IOC-Präsident Thomas Bach und IPC-Chef Andrew Parsons und weitere nationalen Verbände aus Deutschland und den USA den Ausschluss der Athleten aus Russland und Belarus gefordert. Auch die internationalen Fußball-Verbände FIFA und UEFA hatten sowohl die russischen Club-Mannschaften als auch die Nationalteams aus allen laufenden Wettbewerben ausgeschlossen.