Sicherte sich zum dritten Mal den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee: Kamil Stoch. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Daniel Karmann/dpa)

Die stolzen Teamkollegen trugen «König Kamil» durch das menschenleere Skisprung-Stadion, der geschlagene Karl Geiger beglückwünschte ehrfürchtig den Ausnahmeathleten.

«Gratulation an Kamil. Wahnsinnig gemacht», sagte der Gesamtzweite aus Deutschland, der in Bischofshofen mit einer großartigen Leistung noch aufs Podest sprang. Den ersten Tournee-Sieg seit Sven Hannawald 2002 verpasste Geiger aber deutlich, weil Triumphator Stoch auch auf der riesigen Anlage im Pongau dominierte. Mit einem weiteren klaren Einzelsieg machte er seinen dritten Vierschanzentournee-Triumph perfekt.

Nach turbulenten zehn Tagen mit Corona-Ausschluss und der folgenden Rückholaktion hat Stoch mit einer fulminanten Flugshow auf 139 und 140 Meter spätestens in Bischofshofen bewiesen, wer derzeit der beste Skispringer der Welt ist. «Ein Kamil Stoch in der Form ist unschlagbar. Wir haben trotz des ganzen Trubels eine gute Tournee gesprungen. Wir sind die Zweitbesten bei dieser Vierschanzentournee, da können wir uns schon drüber freuen», sagte Bundestrainer Stefan  Horngacher im ZDF. 

Dominator Stoch musste der 27 Jahre alte Geiger zwar ziehen lassen, dafür überholte er als Tagesdritter mit Flügen auf 138 und 133,5 Meter noch die beiden Rivalen Dawid Kubacki aus Polen und den norwegischen Topfavoriten Halvor Egner Granerud. «Ich bin echt froh, dass ich das heute noch so hingebracht habe. Es war keine einfache Kost für mich. Heute habe ich es echt nochmal geschafft, die Spannung hochzufahren. Ich bin überglücklich», sagte Geiger. Dass der ersehnte Tournee-Sieg für Deutschland auch nach 19 Jahren des Wartens wieder nicht gelang – fast Nebensache.

Der 33 Jahre alte Stoch hatte das Traditionsevent schon 2016/17 und 2017/18 gewonnen und kehrte nun zurück auf den Skisprung-Gipfel. «Das klingt großartig. Ich bin sehr glücklich», sagte der Routinier. In Innsbruck und Bischofshofen deklassierte er die komplette Konkurrenz, dabei hatte er vor Beginn der Tournee nicht unbedingt zum engsten Favoritenkreis gezählt. Sein Ex-Coach Horngacher lobte: «Ich freue mich auch für Kamil, dass er das gewinnt. Er ist ein absoluter Siegertyp, er hat es extrem verdient.»

Umso wertvoller war Geigers Silberrang, den er trotz seines Patzers in Innsbruck mit dem starken Abschluss noch sicherstellte. «Es ist ein toller zweiter Platz», lobte Coach Horngacher. «Der Karl ist mental unglaublich stark. Die anderen haben Fehler gemacht und der Karl ist dazwischen reingesprungen.» Geigers Freund Markus Eisenbichler erlebte zum Abschluss dagegen ein sportliches Debakel und verpasste als 35. sogar den zweiten Durchgang. 

Stochs Traum vom nächsten Titel schien in Oberstdorf, wo das ganze polnische Team wegen eines Corona-Falls von Klemens Muranka zunächst ausgeschlossen wurde, schon geplatzt. Nach 22 Stunden Verwirrung folgte aber die schnelle Rückkehr – und neun Tage später der ganz große Triumph. Das traditionelle Abschlussspringen am Dreikönigstag gewann der Olympiasieger mit riesiger Souveränität auch noch. Vor leeren Rängen wirkten die Jubelposen und die Siegerehrung auf der Paul-Außerleitner-Schanze aber doch etwas gespenstisch.

Das deutsche Team hatte nach dem furiosen Auftakterfolg von Lokalmatador Geiger in Oberstdorf selbst auf den ersten Gesamtsieg seit 2002 gehofft, leistete sich aber mehrere Patzer, unter anderem auf der Schicksalsanlage am Bergisel in Innsbruck. Am Mittwoch glänzte Geiger dann plötzlich wieder.

Für Eisenbichler endete die Tournee stattdessen mit Riesenfrust. «Es ist schon bitter, aber sowas hab ich schon so oft miterlebt. Von dem her: Da rege ich mich gar nicht mehr so auf», sagte der Bayer. Zuvor hatte er im ZDF noch losgeschimpft: «Beschissen» sei sein Abschluss gewesen, «ein Dreckssprung». Hinter Stoch und Geiger komplettierte Kubacki das Gesamtpodium.

Flug-Weltmeister Geiger und Hoffnungsträger Eisenbichler waren mit großen Ambitionen in die Tournee gestartet und hatten diese zum Start auch untermauert. Zur Halbzeit in Garmisch kommentierte «Eisei» das Dauerduell mit Senkrechtstarter Granerud und den beiden starken polnischen Rivalen noch schnippisch: «Die Pamperl da vorne, die Norweger und die Polen, die werden wir schon noch einholen.»

In Innsbruck passierte genau das Gegenteil: die Konkurrenz, vor allem Stoch, zog davon und ersprang sich den entscheidenden  Vorsprung. Auf den Schanzen bot Stoch Sprünge in Perfektion. Dass es mit einem Start nach den Turbulenzen überhaupt klappte, dankte er immer wieder explizit den Verantwortlichen um Chefcoach Michal Dolezal. «Ich kann mich nur bei unseren Trainern bedanken: Sie haben bis zum Ende für uns gekämpft.»

Im Team von Horngacher war derweil zu beobachten, wie die Stimmung im Verlauf des Großereignisses immer schlechter wurde. Herrschte am Schattenberg in Oberstdorf nach dem ersten deutschen Einzelsieg seit Dezember 2015 noch Euphorie bei Geiger und Co., ging es danach in Garmisch und Innsbruck bergab. Der Schlusspunkt in Bischofshofen wurde dank Geiger noch einmal zum Erfolg.

In einem Winter voller Höhepunkte, der mit zwei Weltcup-Siegen von Eisenbichler und dem Flug-WM-Gold von Geiger verheißungsvoll begonnen hatte, ist der verpasste Tournee-Triumph nur ein ganz kleiner Dämpfer für die Horngacher-Schützlinge. Viel Zeit zum Nachdenken bleibt ohnehin nicht: Ab Freitag steht schon der Heim-Weltcup in Titisee-Neustadt auf dem Programm, das deutsche Team reist am Donnerstag direkt Richtung Schwarzwald. Das letzte Saisonhighlight ist dann die Heim-WM in Oberstdorf (ab 23. Februar).

Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa

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