Die speziellen Vorzüge ihres WM-Quartiers hatten Deutschlands Biathleten schnell entdeckt.
«Wenn man enttäuscht ist, kann man in den Stall, ein bisschen das Pony streicheln gehen», sagte Benedikt Doll. Der Ex-Weltmeister wohnt bei den am Mittwoch beginnenden Titelkämpfen in Slowenien mit den Skijägern auf einem alten Hof in Ferienwohnungen, inklusive Stall mit Hasen, Ziegen – und eben einem kleinen Pony. «Es passt optimal, es ist alles gerichtet», sagte Doll in einem Video auf seinem Instagram-Kanal zur ländlichen Wohlfühl-Unterkunft. Sogar eigene Köche hat die Mannschaft dabei.
Und Grund enttäuscht zu sein, soll es bei den Weltmeisterschaften in Pokljuka eigentlich auch gar nicht geben. Bei den zwölf Entscheidungen an neun Wettkampftagen sollen Doll und Co. am besten vier bis fünf Medaillen mitnehmen, sagte Sportdirektor Bernd Eisenbichler. Chance Nummer eins gibt es beim Auftakt am Mittwoch (15.00 Uhr/ARD und Eurosport) mit der Mixedstaffel. Vertreten wird Deutschland durch Erik Lesser, Arnd Peiffer, Denise Herrmann und Franziska Preuß. Im Vergleich zu 2020, als es WM-Platz vier gab, rutschte der Thüringer Lesser für Doll neu in die Mannschaft.
Selbst wenn es nun wieder nicht immer für das Podium reichen sollte, sei das noch lange kein Grund zur Enttäuschung. «Man darf nicht davon ausgehen: Jetzt kommen die Deutschen und machen die Plätze eins, zwei und drei auf dem Podium», sagte Bundestrainer Mark Kirchner. Die Zeiten totaler Dominanz mit Titeln in Serie seien schon lange vorbei. «Man muss sich mal die internationale Konkurrenz anschauen, die mit einer Vielzahl von Athleten vorne in der Weltspitze rangiert.»
Der dreimalige Olympiasieger aus Thüringen meinte damit neben den Franzosen vor allem die übermächtigen Norweger. Dauersieger Johannes Thingnes Bö und drei seiner Landsleute liegen im Gesamtweltcup ganz vorn und dominierten weitestgehend nach Belieben, bei den Frauen führen Marte Olsbu Röiseland und Tiril Eckhoff das Feld in diesem Winter klar an. «Man muss erstmal in den Top Sechs oder Zehn dabei sein. Dafür ist schon eine Qualität notwendig», sagte Kirchner.
Und die fehlte den Deutschen zuletzt auch immer mal wieder. Der Massenstart-Sieg von Olympiasieger Arnd Peiffer und die erfolgreiche Frauenstaffel in Oberhof waren die einzigen Triumphe des Winters. Während Denise Herrmann, die den Traum vom Gesamtweltcupsieg nach schwankenden Schießleistungen schnell abhaken musste, öfter schwächelte, stieg Franziska Preuß zur Nummer eins bei den DSV-Frauen auf. «Es wäre richtig cool, wenn es auch in Pokljuka klappt», sagte die 26-Jährige: «Es ist mir fast egal, wo ich draufstehe. Mich täte es total freuen, wenn ich überhaupt auf dem Podium stehen kann.»
Was dafür nötig ist, weiß Preuß. «Um absolut vorne dabei zu sein, muss viel zusammenpassen», sagte die ehemalige Staffel-Weltmeisterin. Fehler darf man sich auf den anspruchsvollen Strecken in 1300 Meter Höhe nicht leisten, auch auf die Unterstützung ihrer Fans können die DSV-Skijäger nicht zählen. Aufgrund der Corona-Krise sind auf der alpinen Hochebene keine Zuschauer zugelassen. An den ersten Trainingstagen in Pokljuka war die Stimmung trist, bei den Rennen dürfte sich daran nichts entscheidend ändern. Neu ist das aber nicht: In diesem Winter waren bislang noch nirgendwo Zuschauer zugelassen.
«Es ist eine gewisse Anspannung da. Wenn das mal nicht mehr so wäre, wäre das nicht so gut ist», sagte Peiffer trotzdem. Mit 33 Jahren ist der Harzer der Routinier im Team, gute Erinnerungen an Slowenien hat er aber nicht. «Von den schlechtesten drei Rennen, die ich je gemacht habe, waren zwei in Pokljuka», sagte der Ex-Weltmeister. Doch das sei jetzt egal. «Jetzt konnte ich mich sehr gut vorbereiten.»
Im Trainingslager in Österreich hatte das deutsche Team noch einmal an den Problemen beim Schießen gearbeitet und sich den Feinschliff geholt. «Die Stärke ist, dass die Mannschaft, egal ob männlich oder weiblich, eine gute Leistungsfähigkeit hat und ein gutes Niveau erreicht in vielen Facetten», sagte Chefcoach Kirchner. Das Manko hingegen «war zu wenig Konstanz bei dem einen oder anderen Athleten. Die Leistungen waren doch eher Schwankungen unterlegen».
So wie bei Herrmann. Im Januar 2020 hatte sie in Pokljuka überlegen und erstmals überhaupt ohne Schießfehler das Einzelrennen gewonnen. Das dient der Sächsin als gutes WM-Omen. «Das System sollte jetzt passen und man sollte darauf vertrauen», sagte die 32-Jährige. Vor einem Jahr hatte sie unter anderem mit Verfolgungssilber ihren Anteil an insgesamt fünf WM-Medaillen (viermal Silber, einmal Bronze) in Antholz. Das würde sie gerne wiederholen. «Klar ist der Wunsch, mit Edelmetall nach Hause zu fahren», sagte sie.
Und sollte das doch nicht klappen, gibt es ja immer noch das Pony.