Kira Weidle hat bei der WM-Abfahrt die Silbermedaille gewonnen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Michael Kappeler/dpa)

Umringt von Trainern und Betreuern feierte Kira Weidle im Teamhotel ihr Sensations-Silber in der WM-Abfahrt von Cortina d’Ampezzo – erst im Skiraum, dann an der Bar.

Eine exzessive Party war in Corona-Zeiten zwar nicht drin. Aber ganz ohne Anstoßen wollte die Starnbergerin ihren zweiten Platz und das kleine Kapitel deutscher Ski-Geschichte freilich nicht zelebrieren. 25 Jahre nach Katja Seizinger hat Deutschland wieder eine Vizeweltmeisterin in der alpinen Königsdisziplin. «Ein Traum», sei das, sagte der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier und geriet regelrecht ins Schwärmen. «Eine Hammerleistung», «Weltklasse»!

Hinter der Schweizerin Corinne Suter und vor deren Landsfrau und Super-G-Weltmeisterin Lara Gut-Behrami raste Weidle zum größten Erfolg ihrer Karriere. Die zweite Medaille für den Deutschen Skiverband im dritten WM-Rennen: Darauf hätte kaum jemand zu hoffen gewagt, zumal bei den vorigen Weltmeisterschaften jeweils nur einmal Edelmetall rausgesprungen war.

Zielgenau hatte Weidle den ganzen Winter über auf den Saisonhöhepunkt hingearbeitet und das auch mehrfach gesagt. Dass es mit Edelmetall bei der WM klappen könnte, sei ihr «schon die ganze Saison bewusst» gewesen, betonte sie nach ihrer Traumfahrt am Samstag dann erneut. «Auch wenn ich keinen Podestplatz hatte, waren richtig gute Rennen dabei». In Val d’Isère und Crans-Montana etwa, wo sie im Weltcup jeweils Fünfte geworden war. Und so wirkte die gebürtige Schwäbin selbst nun auch am wenigsten überrascht von ihrem Coup in Cortina.

Von Tag zu Tag trat sie in den Dolomiten überzeugter auf – erst recht nach der Silbermedaille von Romed Baumann im Super-G am Donnerstag, die dem DSV-Team schon den größten Druck genommen hatte. Auch nach ihrer famosen Fahrt auf der «Olimpia delle Tofane», bei der sie sich nur einen kleinen Fehler geleistet hatte, wirkte Weidle sehr gefasst. Sie vergoss keine Tränen, rang nicht nach Atem. Golden glänze ihr Silber fast schon, sagte sie später einfach glücklich und zufrieden.

«Sie ist als Persönlichkeit gereift», lobte Bundestrainer Jürgen Graller, «sie ist schon ziemlich abgebrüht und fokussiert.» Im Schatten, aber auch unterstützt von Riesenslalom-Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg war Weidle in den vergangenen Wintern vom Talent zur Topathletin herangewachsen. «Bin stolz auf dich, Bambino», schrieb die langjährige deutsche Vorzeigefahrerin ihr nun.

Nach Rebensburgs Rücktritt im Herbst und den Verletzungen anderer deutscher Speedspezialistinnen tingelte Weidle weitgehend allein durch die bisherige Saison. Doch gestört hat sie das offenbar nicht. Auch aus dem Austausch mit den Amerikanern oder der zweimaligen Abfahrts-Weltmeisterin Ilka Stuhec aus Slowenien scheint Weidle viel mitzunehmen. Jedenfalls habe sie sich auch technisch verbessert, findet Graller. Und: Mit 24 Jahren ist sie für eine Abfahrerin noch jung, steht daher womöglich erst am Anfang einer großen Karriere.

Zu ihrer Bronzemedaille von der Junioren-WM 2017 ist jetzt jedenfalls bereits eine «Big Sister» dazugekommen, wie Weidle es ausdrückte. Und in einer Reihe illustrer Namen steht sie, die bis dato zwei dritte Plätze in den Weltcup-Abfahrten von Lake Louise (2018) und Garmisch (2019) als beste Ergebnisse vorweisen konnte, nun auch schon. Die bis dahin letzte Deutsche, die in einer WM-Abfahrt aufs Podest raste, war Maria Höfl-Riesch als Dritte 2013. «Super stark» nannte sie in ihrem WM-Blog Weidles Leistung nun. Letztmals Silber hatte es 1996 durch Seizinger gegeben – sechs Tage vor Weidles Geburt.

Und «es kommen noch ein paar Großereignisse», sagte sie bereits mit Blick voraus, «nächstes Jahr Olympia, dann wieder eine WM». Perspektivisch auch die Spiele 2026, die die Alpinen erneut nach Cortina führen. Da nehme ihr diese Medaille «schon ein bisschen den Druck». Aber ganz sicher nichts von ihrem Siegeshunger.

Von Christoph Lother und Manuel Schwarz, dpa

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