An diesem Wochenende denkt Markus Eisenbichler an eine berühmte Märchenfigur.
«Das fühlt sich an wie Aladin, der auf seinem fliegenden Teppich umherfliegt – bloß, dass es irgendwann vorbei ist», beschreibt der 29-Jährige seine Empfindungen beim Skifliegen vor dem Start der WM in Slowenien. Deutschlands bester Skispringer ist einer der Top-Favoriten bei diesem so ungewöhnlichen ersten großen Saisonhöhepunkt. Statt eines Flugshow-Fests mit begeisterten Fans, Bier- und Bratwurstgeruch erwartet die Springer in Planica ein auf seine Reinform reduzierter sportlicher Wettkampf in einer Corona-Blase. Wegen Covid-19-Erkrankungen ist das Starterfeld ausgedünnt.
Die Begeisterung für die Königsdisziplin ihrer Sportart lassen sich Eisenbichler und seine Teamkollegen von alldem aber nicht nehmen. «Skifliegen war als Kind immer der Traum», sagte Pius Paschke am Mittwoch. Der 30-Jährige hat sich mit konstanten und guten Leistungen seine WM-Premiere im nicht nicht mehr ganz so jungen Skisprung-Alter verdient.
Neben Paschke und Eisenbichler ist Karl Geiger, der am vergangenen Weltcup-Wochenende noch aus privaten Gründen gefehlt hatte, fix für den Einzelwettkampf nominiert. Den vierten Startplatz will Bundestrainer Stefan Horngacher nach dem Training an diesem Donnerstag an den bis dato letzten deutschen Skiflug-Weltmeister Severin Freund, an Martin Hamann oder an Constantin Schmid vergeben.
Während der Österreicher in Diensten des Deutschen Skiverbands bis auf den lange verletzten Stephan Leyhe alle Topspringer zur Verfügung hat, gibt es bei seinen Landsleuten riesige Corona-Probleme. Nach den Covid-19-Erkrankungen von Gesamtweltcupsieger Stefan Kraft und weiteren Top-Athleten wird die Teambesetzung am Donnerstag nach dem Training eine Last-Minute-Entscheidung.
Zwar sind Kraft und Weltcup-Rekordsieger Gregor Schlierenzauer anders als der zuletzt formstärkste Österreicher Daniel Huber in Planica dabei. Doch reicht ihr Fitnesslevel schon für das mental und körperlich anspruchsvolle Flug-Spektakel? «Es geht jetzt mehr oder weniger vom Bett direkt auf eine der größten Schanzen der Welt», verdeutlichte Schlierenzauer die Problematik der gerade erst genesenen Athleten.
Eisenbichler betonte die Eigenverantwortung der Teams. Dabei ließ er auch Kritik anklingen, ohne die Österreicher explizit zu nennen. «Wenn man die Hygienemaßnahmen nicht so einhält wie wir zum Beispiel – natürlich kann es auch uns passieren, aber bei uns hat es jetzt noch keinen einzigen Fall gegeben, weil wir ein Konzept vorgegeben haben vom DSV, und das funktioniert einfach super –, dann kann ich auch nichts machen», sagte er. Der Siegsdorfer sprach von «ein bisschen Selbstverschulden bei den anderen».
Wie die Deutschen sind auch die starken Norweger bislang von großen Corona-Schwierigkeiten verschont geblieben. Gesamtweltcup-Spitzenreiter Halvor Egner Granerud und Robert Johansson sind neben Eisenbichler die größten Anwärter auf den Titel. Geiger dürfe man ebenfalls nicht unterschätzen, sagte Horngacher: «Er ist eigentlich ein ausgezeichneter Flieger.»
Die WM war zum Schutz der Springer-Gesundheit vom vergangenen März in diesen Dezember verschoben worden. Nun gibt es trotz aller Hygienekonzepte und Vorsichtsmaßnahmen allerdings mehr Corona-Fälle als damals. Auch Fis-Renndirektor Sandro Pertile kann wegen eines positiven Tests nicht dabei sein.
Eisenbichler wird an all das bei seinen Flügen nicht denken. «Die ganzen Sorgen und Ängste, die man im normalen Leben hat, verschwinden dann einfach», sagte er. «Man will aus diesem Gefühl gar nicht mehr raus, aus dieser Schwerelosigkeit und aus dem Freisein.»